Der Klimawandel wird unser Leben in NRW verändern. Es wird mehr Extremwettereignisse wie Hitzewellen und Überflutungen geben. Aber auch unser Alltag wird in allen Bereichen beeinträchtigt sein, egal, wie viel CO2 die Menschheit ab jetzt einspart. Viele von uns werden diese Folgen des Klimawandels noch erleben. Wir zeigen, welches Klima uns in NRW im Jahr 2050 auf jeden Fall erwartet.
Text: Jörn Kießler I Veröffentlichung: 10. November 2024, Update am 24. November 2024
🌍 Wie sich das Klima in NRW bis 2050 verändert
🌍 Französisches Klima schon jetzt in Köln und Siegen
🌍 Welche Auswirkungen der Klimawandel auf das Leben der Menschen in NRW hat
🌍 Hitze am Rhein, Regen in den Mittelgebirgen
🌍 Mehr Allergien durch Pollen und invasive Arten
🌍 Zecken und Stechmücken halten Einzug in NRW
🌍 Mehr Wärme bedeutet mehr Feuchtigkeit in der Luft
🌍 Entlang des Rheins wird es trocken
Ab dem 11. November fand in Baku die 29. Weltklimakonferenz statt. Bis zum 23. November haben dort Vertreter und Vertreterinnen der 197 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) beraten, wie der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen gesenkt und die menschengemachte Erderwärmung gebremst werden kann.
Schon jetzt liegt die jährliche Durchschnittstemperatur um mehr als 1,5 Grad über jener vor dem Beginn der Industrialisierung. Die Länder der Europäischen Union (EU) haben angekündigt, sich bei der COP29 vor allem für die Einhaltung des 2-Grad-Ziels einzusetzen. Doch selbst wenn dies gelingen sollte - was sehr unwahrscheinlich ist -, wird sich das Klima auf der ganzen Welt in den kommenden Jahrzehnten verändern.
“Aktuell wird viel zu wenig gegen den Klimawandel unternommen. Dabei sehen wir, dass die Auswirkungen immer katastrophaler werden, wie gerade in der spanischen Provinz Valencia”, sagt der Journalist Nick Reimer. Gemeinsam mit Toralf Staud hat er 2021 das Buch “Deutschland 2050” veröffentlicht (und 2023 noch einmal aktualisiert), in dem die beiden beschreiben, wie das Leben in Deutschland in wenigen Jahrzehnten aussehen wird. Dafür sprachen sie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen, lasen zahlreiche Studien zum Thema und schaffen es, den wissenschaftlichen Stand zum Thema Klimawandel und die daraus resultierenden Auswirkungen greifbar zu machen.
"Unter anderem waren wir dafür beim Deutschen Wetterdienst und haben uns die Modellierungen angeschaut, wie sich das Klima in den kommenden Jahrzehnten ändern wird”, sagt Reimer. “Wenn wir jetzt nichts tun, wird der Meeresspiegel um mehr als sieben Meter steigen. Das wird zwar nicht bis 2040 oder 2045 passieren”, so Reimer. Aber:
Ohne Klimaschutz jetzt werden die Veränderungen und Einschnitte danach nicht mehr beherrschbar.” Nick Reimer, Journalist
Darauf deutet auch der neue Fachbericht über die mögliche Klimazukunft NRWs des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) hin, der Ende August 2024 veröffentlicht wurde. Dafür orientierten sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an den Fachberichten des Weltklimarats (IPCC) und werteten ebenfalls Wetterdaten des DWD, diverse weitere wissenschaftliche Studien sowie eigene Untersuchungen aus.
Anhand dieser Daten beschreibt der Fachbericht, wie sich das Klima in NRW zwischen 2031 und 2060 beziehungsweise zwischen 2071 und 2100 entwickeln wird, je nachdem, welche Klimaziele in den nächsten Jahren erreicht werden. Dabei wird eines deutlich: Selbst wenn die Weltgemeinschaft es schafft, durch die konsequente Reduzierung von Treibhausgasen die Klimaziele zu erreichen und den weltweiten Temperaturanstieg auf unter 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, haben die klimaschädlichen Gase, die seit dem Beginn der Industrialisierung freigesetzt wurden, das Klima schon jetzt unwiederbringlich verändert und werden auch in Zukunft einen enormen Einfluss darauf haben.
In diesem Beitrag wollen wir beschreiben, auf was wir uns in Nordrhein-Westfalen in gut 25 Jahren einstellen müssen. Also einerseits an einem Zeitpunkt, den viele Menschen in NRW noch erleben werden - aus diesem Grund wählten auch Toralf Staud und Nick Reimer dieses Jahr. Andererseits, weil er in dem Bereich liegt, in dem sich die Klimaprojektionen noch nicht so stark unterscheiden, ganz gleich, wie konsequent der weltweite Klimaschutz bis dahin ausfällt.
Welche Wetterphänomene werden in welchen Regionen häufiger auftreten? Welchen Einfluss haben diese Veränderungen auf unsere Gesundheit, unsere Psyche und das tägliche Leben? Wir wollen aber auch einen Blick darauf werfen, wie katastrophal sich das Klima danach verändern wird, wenn wir und der Rest der Welt es nicht schaffen, die Klimaziele einzuhalten.
Um die unterschiedlichen Szenarien zu beschreiben, nutzt der Bericht des LANUV sogenannte Repräsentative Konzentrationspfade (RCP), die beschreiben, wie sich das Klima verändert, je nachdem wie viel Treibhausgas ab jetzt zusätzlich in die Atmosphäre gelangt. Sie reichen vom optimistischsten Szenario RCP2.6, nach dem das 2-Grad-Ziel eingehalten wird, bis hin zum RCP8.5-Szenario, nach dem der Ausstoß von CO2 ungebremst weitergeht und sich sogar noch erhöht.
Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssten die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 um 43 Prozent im Vergleich zu 2019 sinken, im weiteren Verlauf bis 2035 um insgesamt 60 Prozent, heißt es im sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats. Geschieht das nicht und setzt die Menschheit weiterhin so viel Treibhausgase wie bislang oder sogar noch mehr frei, würde die weltweite Durchschnittstemperatur um mehr als 4 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ansteigen.
Um die Auswirkungen des Klimawandels deutlich zu machen, nutzen Klimaforscher Kennwerte wie beispielsweise Durchschnittstemperatur, Hitzetage und Tropennächte. Selbst wenn das pessimistischste Klimaszenario eintritt, würden diese Zahlen in NRW bis 2060 erst einmal nur gering steigen, ähnlich wie beim optimistischsten Klimaszenario RCP2.6.
Aber: In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts würde ihre Häufigkeit extrem ansteigen, sollte nicht mehr Klimaschutz betrieben werden.
Im Vergleich zur durchschnittlichen Jahrestemperatur der vergangenen 30 Jahre, die sich durch die Industrialisierung bereits um 1,6 Grad erhöht hat, könnte es ohne nennenswerten Klimaschutz bis zum Ende des Jahrhunderts in NRW im Mittel noch zwei bis fast vier Grad wärmer werden. In der Summe wären das dann 3,6 bis 5,6 Grad. Die Zahl der Hitzetage könnte sich verdoppeln, im schlimmsten Fall fast vervierfachen, zwei bis vier Hitzewellen pro Jahr würden ab 2070 zur Normalität gehören.
Dazu kommt, dass man bei diesen Zahlen beachten muss, dass es sich um Mittelwerte handelt. Das heißt, es wird Jahre geben, in denen beispielsweise die Zahl der Hitzetage noch deutlich höher ausfallen wird - so wie bereits dieses Jahr. Bereits am 15. Juli hatte es nach Informationen des DWD in Köln zwölf Tage gegeben, an denen mehr als 30 Grad gemessen wurden. Der Mittelwert für den Vergleichszeitrum in lag von 1991 bis 2020 bei vier Tagen.
Doch selbst wenn ab sofort weltweit alles getan würde, um den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen zu reduzieren und so der weltweite Temperaturanstieg im Mittel auf 1,6 Grad begrenzt würde, hätte das Auswirkungen auf das Klima in NRW.
“Das hängt damit zusammen, dass wir es nicht schaffen werden, den Ausstoß von Treibhausgasen von heute auf Morgen auf null zu reduzieren”, sagt Antje Kruse, Leiterin des Fachbereichs Klimaanpassung, Klimaschutz, Wärme und Erneuerbare Energien am LANUV. Zudem habe das bislang freigesetzte CO2 eine lange Verweildauer in der Atmosphäre, während der es weiterhin Einfluss auf das Klima hat.
Laut dem Fachbericht des LANUV könnte allein dadurch die durchschnittliche Lufttemperatur schon ab 2031 im Jahresdurchschnitt auf bis zu 10,8 Grad Celsius steigen. Zum Vergleich: Zwischen 1991 und 2020 lag sie bei 10 Grad, im Vergleichszeitraum 1961 bis 1990 bei 9 Grad.
Was das bedeutet, konnten wir bereits in den Jahren 2014, 2018, 2022 und 2023 spüren, in denen die durchschnittliche Temperatur bereits bei 11 Grad oder höher lag. “Solche Jahre, die zurzeit als Ausnahme- und Rekordjahre bei den Temperaturen gelten, könnten zukünftig den ‘Normalzustand’ darstellen”, heißt es im Fachbericht des LANUV.
Dass wir die Auswirkungen des Klimawandels schon längst spüren, zeigt auch eine Auswertung von Klimadaten durch das Umweltbundesamt (UBA) von 2021. Demnach herrscht schon jetzt in vielen Regionen in Deutschland ein Klima, wie es in der Zeit zwischen 1961 und 1990 wesentlich südlicher zu finden war.
Für die Studie analysierte das UBA Werte wie mittlere, maximale und minimale Temperaturen sowie Niederschlagsmengen von 41 deutschen Städten und suchte nach europäischen “Zwillingsstädten”, in denen diese Werte gleich waren. Auch drei NRW-Städte betrachteten die Wissenschaftler genauer. Das Ergebnis: Schon heute herrscht in Köln ein Klima wie im 600 Kilometer weit entfernten Saint-Aubin-le-Dépeint vor 30 Jahren. Der 300-Seelen-Ort liegt auf halber Strecke zwischen den französischen Städten Le Mans und Tours.
Nicht ganz so weit im Süden wird die klimatische Zwillingsstadt von Siegen verortet. Laut der Analyse herrscht dort schon heute ein Klima wie in der Region Grand Est im Nordosten Frankreichs. Am wenigsten nach Süden verschoben wird Münster. Die aktuellen klimatischen Bedingungen dort ähneln denen, die zwischen 1961 und 1990 in Grevenbroich herrschten.
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des UBA wagten zudem einen Blick in die Zukunft, für den Fall, dass die Menschheit weiter ungebremst Treibhausgase ausstößt. Dadurch würden sich die klimatischen Zwillinge aller drei NRW-Städte bis 2060 in den Südwesten Frankreichs verschieben.
Aber auch, wenn ab morgen die größten Bemühungen in Sachen Klimaschutz unternommen würden - wir also dem RCP2.6 Szenario folgen -, wird sich das Klima in NRW bis zum Jahr 2050 weiter verändern. Betroffen von dieser Veränderung wären vor allem der Herbst und der Winter, in denen die Durchschnittstemperatur auch im besten Fall um 0,3 bzw. 0,5 Grad steigen wird.
Mit dem Blick auf ganz Nordrhein-Westfalen zeigt sich das sehr deutlich an der Zahl der Tage, an denen die Temperatur in NRW unter 0 Grad fällt. Sie würde laut Prognose bis etwa 2050 um ein Drittel sinken. Statt 62 Tagen, die es im Mittel zwischen 1991 und 2020 gab, wären es dann nur noch 45 bis 52. Im Fall des “Weiter-wie-bisher”-Szenarios sogar nur noch 34 bis 47 Tage.
Noch deutlicher wird der Einfluss des menschengemachten Klimawandels, wenn man diese Werte mit der durchschnittlichen Anzahl der sogenannten Frosttage in der Periode 1961 bis 1990 vergleicht. Da waren es noch 70 Tage pro Jahr.
Natürlich macht sich die globale Erwärmung auch im Sommer in NRW bemerkbar. So könnte die Zahl der Sommertage, an denen die Temperatur auf 25 Grad Celsius oder mehr steigt von aktuell 36 pro Jahr auf durchschnittlich bis zu 42 steigen. Im Fall des RCP8.5-Szenarios könnten es im Durchschnitt sogar 39 bis 46 Tage werden. Die Zahl der Hitzetage mit mindestens 30 Grad könnte im schlimmsten Fall selbst beim optimistischsten Szenario von derzeit acht um mehr als ein Drittel auf elf Tage pro Jahr anwachsen. Tritt die pessimistischste Prognose ein, läge ihre Zahl im Durchschnitt zwischen neun und 14 Tagen pro Jahr.
Auch im Bezug auf den Niederschlag haben die LANUV-Wissenschaftler und -Wissenschaftlerinnen die Klimadaten ausgewertet. Für das RCP2.6-Szenario gehen sie davon aus, dass die Zahl der Tage, an denen es in NRW überhaupt nicht regnet, kleiner wird. Seit 1951 lag der Wert relativ stabil zwischen 226 und 228 Tagen pro Jahr. Bis 2050 könnte er auf 209 bis 223 sinken. Und auch beim RCP8.5 Szenario reicht die Spannweite nur von 210 bis 228 Tagen. Stößt die Menschheit jedoch weiterhin so viel CO2 aus, wie bisher, könnte die Zahl der sogenannten Trockentage bis 2100 auf 211 bis 237 steigen.
Das Trügerische an den Werten ist, dass es sich dabei um Durchschnittswerte handelt. Die klimatischen Veränderungen werden sich aber nicht so gleichmäßig auf NRW verteilen, wie die Zahlen annehmen lassen. Stattdessen wird es Regionen geben, in denen die Temperatur im Vergleich zum Rest von NRW stärker ansteigen und es mehr Sommer- und Hitzetage sowie Tropennächte geben wird, während es in anderen Regionen kühler bleibt und mehr Niederschlag fällt. In der Folge heißt das, dass der Klimawandel für die Bewohner von Städten wie beispielsweise Köln, Essen, Bochum oder Münster andere Folgen hat, als für Menschen, die im Siegerland, im Sauerland oder in der Eifel wohnen.
Das ist auch der Grund, warum das, was auf den ersten Blick nicht sonderlich dramatisch klingt - was sind schon 0,8 Grad mehr - bereits in gut 25 Jahren weitreichende Folgen für das Leben in NRW haben wird. “Viele davon kennen wir bereits”, sagt Fred Hattermann von Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). “Wir sind ja schon mitten im Klimawandel”, so Hattermann, der am PIK verantwortlich für die Erforschung von Veränderungen des Wasserhaushalts durch den Klimawandel ist. “Es ist jetzt in Deutschland circa zwei Grad wärmer im Durchschnitt. Und die Folgen sehen wir schon.” Dazu gehören laut Hattermann Hitzewellen, Dürren, Starkregen, Hochwasser und Überschwemmungen sowie auch Phasen, in denen es extrem kalt werden kann.
Doch nicht nur die Zunahme von Wetterkatastrophen sind eine Auswirkung des sich wandelnden Klimas. Dadurch, dass sich die klimatischen Rahmenbedingungen verändern, werden wir in wenigen Jahrzehnten auch ein anderes Leben führen. Die Hitze wird unsere Tagesabläufe beeinflussen, wann wir aufstehen, wann wir arbeiten und wann wir uns in kühle Räume zurückziehen. Durch die Erderwärmungen werden im Jahr 2050 mehr Menschen auch in NRW unter Allergien leiden. Aber auch Pflanzen und Tiere werden sich ausbreiten, die es hier bislang nicht gab.
Wie genau diese und andere Veränderungen für das Leben der Menschen bedeuten, ist eines der Forschungsthemen am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Die gemeinnützige Forschungseinrichtung wird vom Land NRW grundfinanziert. Ihr Auftrag ist es, Maßnahmen zu entwickeln und bei deren Umsetzung zu helfen, die dazu beitragen, das Klima in NRW aber auch darüber hinaus zu stabilisieren.
2022 untersuchte das Wuppertal Institut in einer Explorationsstudie im Auftrag der Barmer Ersatzkasse beispielsweise, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen hat. Darin werden auch die sekundären und tertiären Folgen des Klimawandels beschrieben, also Bereiche, die ebenfalls durch den Klimawandel betroffen sind und dann auch wieder Einfluss auf das Leben der Menschen haben.
Dazu gehört unter anderem, dass sich durch die Erderwärmung die Vegetationsperioden ausdehnen. Das wiederum führt dazu, dass Pflanzen häufiger blühen und sich die Zeiten, in denen Allergiker unter den Pollen leiden, verlängern. Ein anderes Beispiel ist das durch den Klimawandel bedingte Artensterben. Allein der Verlust von Bienen und Hummeln bedeutet auch, dass vielen Kulturpflanzen wie Apfel- und Kirschbäumen, Erdbeeren, Gurken und Bohnen die Bestäuber fehlen. Das Wiederum resultiert in schlechteren Ernten und Lebensmittelknappheit für den Menschen.
Welchen Risiken und Gefahren durch den Klimawandel die Menschen in Zukunft ausgesetzt sein werden, hängt stark von der Region ab, in der sie in NRW leben. Um diese genauer zu definieren, nutzt das LANUV die Einteilung NRWs in acht sogenannte Großlandschaften: niederrheinisches und westfälisches Tiefland, niederrheinische und westfälische Bucht, Weserbergland, Eifel, Bergisches Land und Sauer- und Siegerland.
Laut Antje Kruse von LANUV wird der Klimawandel die derzeit herrschenden Unterschiede noch verstärken. “Wir haben jetzt schon trockenere, wärmere Gebiete, wie die niederrheinische Bucht und das niederrheinische Tiefland, die westfälische Bucht oder das westfälische Tiefland”, sagt sie. Auf der anderen Seite gebe es kühlere Regionen, in denen es häufiger und mehr regne, wie das Sauer- und Siegerland, die Eifel und das Weserbergland und das Bergische Land.
Die Menschen, die im Jahr 2050 in den Regionen leben, in denen es schon jetzt wärmer ist, werden vor allem mit Hitzewellen zu kämpfen haben, die dann wesentlich länger und heftiger ausfallen können als bislang.
Zudem werden die Perioden, in denen die Temperatur an mehr als drei aufeinanderfolgenden Tagen 30 Grad oder mehr erreicht, häufiger. Selbst im optimistischsten Fall dürfte sich ihre Häufigkeit mindestens verdoppeln, vielleicht sogar vervielfachen. Aktuell gibt es statistisch nur eine alle drei Jahre.
“Das alles wird zu einer Zunahme von sogenannten hitzebedingten Erkrankungen führen”, sagt Dr. Matthias Albrecht, Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). Ziel des Netzwerks aus Einzelpersonen, Organisationen und Verbände aus dem Gesundheitsbereich ist es, auf die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen und dadurch auch zum Umbau des Gesundheitssystems beizutragen.
Betroffen von der Hitze sind laut Albrecht vor allem die sogenannten vulnerablen Gruppen, also ältere Menschen, Personen mit chronischen Erkrankungen, Kinder und Schwangere. “Aber auch eigentlich gesunde Menschen, die beispielsweise aufgrund ihrer Arbeit stärker der Hitze ausgesetzt sind”, sagt Albrecht und berichtet von einem Fall aus Berlin, bei dem ein Mann ins Krankenhaus eingeliefert wurde. “Aufgrund der Symptome dachte man zuerst, er habe einen epileptischen Anfall”, so der Mediziner. “Irgendwann hat man festgestellt, dass er draußen gearbeitet hatte und seine Körpertemperatur über 39 Grad lag. Der Mann hatte einfach einen Hitzekollaps.”
Ein weiterer Faktor, warum die Belastung für Menschen gerade während Hitzeperioden besonders hoch ist, sei, dass sich der Körper in diesen Phasen kaum erholen könne, sagt Albrecht. “Vor allem die tropischen Nächte, also Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt, sind Stress für den Körper.” Auch ihre Häufigkeit steigt laut der Prognosen. Selbst im günstigsten Fall verdoppelt sich ihre Anzahl NRW-weit bis zum Jahr 2050. Nimmt man das RCP8.5-Szenario als Berechnungsgrundlage, könnte sich ihre Häufigkeit im schlimmsten Fall verfünffachen.
Schon jetzt zeigten Studien, dass die Übersterblichkeit in Hitzephasen ansteige, sagt der Mediziner Albrecht. “Das heißt, dass in dieser Zeit Menschen gestorben sind, die bei normaler Temperatur wahrscheinlich nicht gestorben wären.”
Um das zu verhindern, werden die Menschen in NRW sich an die neuen klimatischen Rahmenbedingungen anpassen müssen. “Auf kommunaler Ebene bedeutet das, dass sogenannte Hitzeschutzpläne erstellt werden müssen”, sagt Albrecht. “Bis runter zu jedem Betrieb, zu jeder Kita, um einfach festzulegen: Was machen wir denn, wenn jetzt die nächste Hitzewelle kommt?”
Im besten Fall fangen Städte und Gemeinden schon jetzt an, vor allem die dicht besiedelten Bereiche klimagerecht umzubauen. “Gerade naturbasierte Lösungen sind in diesem Zusammenhang wichtig”, erklärt Constanze Schmidt, die sich am Wuppertal Institut mit dem Thema Klimaanpassung beschäftigt. “Vor allem in den Städten, in denen sich die Gebäude und Straßen aufheizen, können Bäume, Wasserflächen und viel Grün Schatten spenden, die tatsächliche und gefühlte Temperatur senken und für mehr Lebensqualität sorgen.”
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Aber auch der Tagesablauf der Menschen wird sich mit der Hitze verändern. “Wir werden unseren Rhythmus dem der Menschen in südlicheren Ländern anpassen müssen”, sagt Schmidt. In Zukunft könnten Menschen eine lange Mittagspause machen, wenn die Hitze am größten ist, dafür aber früher mit der Arbeit beginnen und abends länger arbeiten.
Solch eine “Siesta”, wie sie beispielsweise in Südspanien praktiziert wird, würde auch gegen einen weiteren gesundheitsgefährdenden Aspekt helfen, den der Klimawandel mit sich bringt: die erhöhte UV-Strahlung, der der Mensch ausgesetzt ist. Laut einer Untersuchung des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) von 2019 sind dafür zwei Faktoren verantwortlich. So könnte durch den Klimawandel die Zahl der Tage sinken, an denen der Himmel bewölkt ist. Zudem zeigten Studien, dass Menschen an wärmeren Tagen häufiger Kleidung tragen, die ihre Haut nicht bedeckt. Beides führt dazu, dass ihre UV-Belastung steigt und mit ihr das Risiko für Hautkrebs. Nach Zahlen der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister hat sich bereits zwischen den Jahren 2000 und 2019 die Zahl der Menschen, die in Deutschland an Hautkrebs erkrankt sind, mehr als verdoppelt.
Um das Risiko einer Erkrankung zu minimieren, versucht das BfS schon jetzt mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen. In Broschüren für Kommunen, Vereine, Kitas und Schulen weist die Behörde auf die vier grundlegenden Maßnahmen hin, die zum Schutz vor der schädlichen Strahlung beitragen: UV-Index sichtbar machen, Schattenoasen schaffen, Tagesabläufe anpassen sowie informieren und motivieren. “Mit der Sichtbarmachung soll erreicht werden, dass sich die Menschen der Gefahr erst einmal bewusst werden”, sagt Schmidt vom Wuppertal-Institut. “Aber es beinhaltet auch ganz praktische Dinge, wie das Spannen von Sonnensegeln oder das Aufstellen von Sonnencreme-Spendern.”
Neben diesen Maßnahmen werden wir im Jahr 2050 auch in NRW darauf achten müssen, wann wir im Sommer hinausgehen, um nicht zu stark der Sonne ausgesetzt zu sein. Und auch das Tragen langer Kleidung trotz hoher Temperaturen wird zu unserem Alltag gehören.
Hitzebelastung und UV-Strahlung bezeichnet man als direkte oder primäre Folge des Klimawandels. Doch die Erderwärmung führt auch zu sogenannten sekundären und tertiären Gesundheitsrisiken, also Gefahren, die durch die Auswirkungen des Klimawandels auf andere Bereiche verschärft werden oder sogar erst entstehen.
“Dazu gehört unter anderem die Belastung für Allergiker”, erklärt Constanze Schmidt vom Wuppertal Institut. “Durch den Klimawandel verlängert sich die Vegetationsperiode und damit auch die Zeit, in der Pollen unterwegs sind.”
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Dazu komme, dass sich Pollen bei Hitze und Trockenheit länger in der Luft halten, sowie die Luftqualität durch mehr Feinstaub in der Luft sinke. “Und an diesen kleinen Staubpartikeln bleiben dann die Pollen haften und gelangen noch leichter in die Atemwege der Menschen”, so Schmidt. In der Kombination führe das dazu, dass in Zukunft mehr Lungenkrankheiten auftreten, sagt auch der Mediziner Albrecht.
Abgesehen davon breiten sich laut Albrecht wegen der milderen klimatischen Bedingungen auch Pflanzen wie Ambrosia zunehmend in NRW aus, deren Pollen hochallergen sind. Schon jetzt rufen deutsche Behörden dazu auf, dass Menschen, die beispielsweise eine Ambrosia-Pflanze entdecken, diese melden sollen. “Reißen Sie vereinzelte junge Pflanzen samt Wurzel am besten vor der Blüte im Juli aus und entsorgen Sie sie über den Restmüll”, heißt es in einer Broschüre des Bundesumweltamtes (BMUV). Dabei sollten die Menschen Handschuhe tragen. Blühen die Pflanzen schon, empfiehlt das BMUV das Tragen einer Staubfiltermaske.
In Zukunft wird es noch wichtiger sein, zu wissen, ob und wenn ja, gegen welche Pollen man allergisch ist. Dafür werden wir uns häufiger und regelmäßiger beim Arzt auf Allergien testen lassen. Vor allem Allergiker müssen künftig im Alltag verstärkt darauf achten, wann sie ihre Wohnung lüften, wie häufig sie ihre Kleidung waschen, wo sie diese zum Trocknen aufhängen und wann sie - beispielsweise um Sport zu treiben - nach draußen gehen.
Neben mehr invasiven Pflanzenarten dürften sich auch Tiere, die ein potenzielles Gesundheitsrisiko für den Menschen mit sich bringen, bei wärmeren Temperaturen zunehmend in NRW wohlfühlen.
Was das bedeutet, konnte man bereits diesen Sommer im Rhein-Erft-Kreis sehen. Ende August konnte das Landeszentrum Gesundheit NRW die Asiatische Tigermücke in Brühl nachweisen. Das Insekt kann Krankheitserreger, wie das Chikungunya-, Dengue- und Zika-Virus übertragen, das für Menschen gefährlich ist. “Im Moment passiert das nicht, einfach weil es nicht genug infizierte Menschen gibt, die die Mücken stechen könnten”, sagt Matthias Albrecht. “Aber diese durch Parasiten übertragenen Erkrankungen werden zunehmen, bei den Temperaturen, die wir erwarten.”
Doch auch das Risiko, an einem Virus zu erkranken, der von heimischen Tierarten übertragen wird, steigt mit dem Klimawandel. So breitet sich der Gemeine Holzbock immer mehr in Deutschland aus. Neben Borreliose kann die Zecke auch den Virus übertragen, der für die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) verantwortlich ist. 180 der insgesamt 401 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland gelten laut Robert-Koch-Institut (RKI) aktuell als FSME-Risikogebiet. In NRW ist das bislang nur die Stadt Solingen.
Dazu kommt, dass sich auch exotische Zeckenarten wegen der steigenden Temperaturen und milden Winter in Deutschland ausbreiten. 2018 wurde erstmals in NRW die Hyalomma-Zecke nachgewiesen, die das sogenannte Krim-Kongo-Virus übertragen kann. Das dadurch ausgelöste Hämorrhagische Fieber kann in schweren Fällen zum Tod führen.
Für die Menschen in NRW bedeutet diese Entwicklung, dass sie in Zukunft vor allem bei Ausflügen ins Grüne vorsichtiger sein müssen. Zeckenmittel und lange Kleidung können helfen, die Blutsauger fernzuhalten. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen empfiehlt das Bundesumweltamt, “nach Ausflügen in die Natur den ganzen Körper (auch im Kopfhaar) und die Kleidung nach Zecken” abzusuchen.
Je mehr Regionen in Zukunft als FSME-Risikogebiet gelten, desto mehr Menschen sollten sich impfen lassen. Schon jetzt rät das RKI, dass sich Erwachsene und Kinder impfen lassen sollten, die Regionen besuchen oder in ihnen wohnen, in denen bereits FSME-Infektionen aufgetreten sind.
Im Bezug auf Krankheiten wie Malaria, Zika-Infektion, Chikungunya-, Dengue- und West-Nil-Fieber, die von Stechmücken übertragen werden können, empfiehlt das BMUV vor allem, sich vor Stichen zu schützen. Dazu gehören Maßnahmen wie Fliegengitter an den Wohnungsfenstern, lange weite Kleidung, Mückenspray sowie sogenannte Hochspannungs-Lichtfallen, die nur im Haus angebracht werden dürfen.
Ähnlich wie bei der Bekämpfung von invasiven Pflanzenarten wird auch bei den Stechmücken die Bevölkerung in Zukunft gefragt sein. Die Nationale Expertenkommission “Stechmücken als Überträger von Krankheitserregern” empfiehlt, die Menschen nicht nur über die Gefahren der Tiere aufzuklären, sondern fordert auch “umfassende Aufklärungskampagnen zur Biologie der Stechmücken”. So sollen die Menschen künftig in der Lage sein, Brutstätten zu beseitigen und die Ausbreitung der Krankheitsüberträger zu verhindern.
Mit diesen Aussichten wirkt ein lauer Sommerabend im Garten, in dem es womöglich noch einen Teich gibt, nicht mehr ganz so verlockend.
Der Temperaturanstieg durch den Klimawandel bringt eine einfache physikalische Gesetzmäßigkeit mit sich. “Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern”, erklärt Fred Hattermann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Das führe dazu, dass es länger dauere, bis sich die Luft so weit gesättigt habe, dass die Feuchtigkeit als Regen falle. “Aber wenn es zu Niederschlägen kommt, dann eben oft sehr heftig”, so der Wissenschaftler.
Vor allem diese Sturzfluten seien eine konkrete direkte Gefahr für den Menschen. “Das sind oft Ereignisse, bei denen sehr viel Niederschlag in sehr kurzer Zeit fällt, also zum Beispiel in zehn Minuten oder einer halben Stunde”, sagt Hattermann. “Das ist dann so viel, dass der Boden das nicht alles aufnehmen kann.” Verschärft wird so eine Lage laut Hattermann, wenn es vor dem Starkregen eine Dürre gab und der Boden dadurch so trocken ist, dass er noch weniger Wasser aufnehmen kann. “Das ist vergleichbar damit, wenn man einen trockenen Blumentopf gießt”, erklärt Hattermann. “Da rollt das Wasser dann oberflächlich weg anstatt zu versickern.”
Die Folge sind Katastrophen wie Ende Oktober in der Region Valencia im Süden Spaniens. In einigen Regionen fielen dort laut dem spanischen Wetterdienst Aemet innerhalb eine Tages mehr als 490 Liter pro Quadratmeter - so viel wie sonst innerhalb eines Jahres. Mehr als 200 Menschen kamen ums Leben. “Das Problem bei solchen Sturzfluten ist, dass sie sehr örtlich auftreten und man nur schwer vorhersagen kann, wo genau”, sagt PIK-Forscher Hattermann.
Ein weiteres Extrem, dass 2050 laut Prognose häufiger vorkommen wird, sind langanhaltende Niederschläge. Verantwortlich dafür ist unter anderem die Abschwächung des Jetstream. Das Starkwindband verläuft ähnlich wie ein Fluß in großer Höhe von Nord nach West über der Nordhalbkugel und sorgt dafür, dass dort große Luftmassen zirkulieren. Wird dieser Effekt abgeschwächt, sorgt das dafür, dass sich auch über NRW bestimmte Wetterlagen länger an einem Ort halten. So komme es häufiger zu “länger anhaltenden Trocken- oder Regenperioden”, heißt es dazu im aktuellen Fachbericht des LANUV.
Um zu verstehen, was das bedeutet, reicht ein Blick ins Jahr 2021, als es über Tage regnete und es in Rheinland-Pfalz und NRW zu verheerenden Überschwemmungen kam, bei denen 180 Menschen getötet wurden. “Damals kam durch die Wetterlage warme, feuchte Luft wie am Fließband aus Mitteleuropa”, sagt Hattermann. “Irgendwann kam der Punkt, da waren die Böden so gesättigt, dass sie nichts mehr aufnehmen konnten.” Die Folge: Flüsse wie die Ahr und die Erft traten über die Ufer, das Wasser konnte nicht mehr abfließen und bahnte sich seinen Weg durch Innenstädte und Wohngebiete.
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“Das Hochwasser im Ahrtal ist auch ein Beispiel für die Zerstörungskraft, die zwei Naturkatastrophen entfalten, die gleichzeitig auftreten”, sagt Hattermann und bezieht sich damit auf den Starkregen und die gleichzeitigen Überschwemmungen. Der Schaden übersteige oft die Summe, die beide Unglücke separat voneinander anrichten können.
Dass damals vor allem die Eifel betroffen war, überrascht mit dem Wissen um die aktuellen Daten des LANUV nicht. Auch für die Zeit von 2031 bis 2060 gehen die Wissenschaftler davon aus, dass es dort - aber auch im Bergischen Land, Sauer- und Siegerland und Weserbergland - häufiger zu langanhaltenden Niederschlägen kommen wird. “Hier bleiben Regengebiete, die NRW aus Westen überqueren, an den Bergen hängen, was entsprechend zu Stauniederschlägen führt”, heißt es in dem Fachbericht.
Um Menschen und Infrastruktur vor dieser Gefahr zu schützen, kann man Städte so bauen, dass sie für solche Wassermassen gewappnet sind - zumindest theoretisch. “Das hat aber alles seine Limits, denn Deutschland ist eben so bebaut, wie es bebaut ist”, sagt PIK-Forscher Hattermann und macht trotzdem Mut. Es gebe durchaus Maßnahmen, die helfen.
“Viele der naturbasierten Lösungen, die wir für die Klimaanpassung umsetzen können, helfen gleichzeitig, den Klimawandel zu bremsen und haben einen positiven Einfluss auf den Menschen”, sagt auch Constanze Schmidt vom Wuppertal Institut. Denn gegen Starkniederschlag helfen neben Rückhaltebecken und Kanälen auch mehr Parks und andere unversiegelte Flächen in der Stadt, Dachbegrünung und Bäume.
Das Prinzip der Schwammstadt wurde bereits in einigen Städten in Deutschland umgesetzt, darunter auch in der Grünen Mitte in Essen. “Durch einen gesunden, durchwurzelten Boden kann bei Starkregen oder Überschwemmungen im Notfall mehr Wasser aufgenommen werden, diese naturbasierten Maßnahmen nehmen aber auch CO2 auf und führen dazu, dass wir uns mehr im Freien aufhalten”, sagt Schmidt.
Ein weiterer Vorteil ist, dass ein Teil des Wassers beim Versickern durch die Bodenschichten auf natürliche Weise gefiltert wird und so wieder ins Grundwasser gelangt. Gerade in den flachen Gebieten in NRW, wie dem niederrheinischen Tiefland und der niederrheinischen Bucht, in denen es keine Talsperren wie im Siegerland und Sauerland gibt und in denen es im Jahr 2050 noch trockener sein wird als heute, ist das auch ein Beitrag um die Trinkwasserversorgung zu sichern.
Denn während der Klimawandel einerseits dazu führt, dass es in der Eifel, im Bergischen Land, Sauerland, Siegerland und dem Weserbergland mehr regnen wird, verschärft sich die Wasserknappheit in anderen Regionen. “Wie im Klimaatlas zu sehen ist, sind die Regionen des Flachlandes, insbesondere die Niederrheinische Bucht, das Niederrheinische Tiefland, die Westfälische Bucht und das Westfälische Tiefland, also die Regionen, die auch die höchsten Durchschnittstemperaturen aufweisen, auch die trockensten Regionen”, heißt es dazu im Fachbericht des LANUV.
Was das für das tägliche Leben bedeutet, konnte man bereits in den Dürrejahren 2018, 2019 und 2022 beobachten. “Am Niederrhein haben wir jetzt schon im Sommer mit Wasserverknappung zu tun”, sagt Constanze Schmidt vom Wuppertal Institut. “Da dürfen dann schon nicht mehr die Pools befüllt und die Autos auf der Straße gewaschen werden.”
Ernsthafte Probleme für die Trinkwasserversorgung in Deutschland oder NRW wird es laut Fred Hatterman vom PIK in absehbarer Zeit nicht geben. “Aber wir hatten schon Fälle, da sind Trinkwasserbrunnen von Wasserversorgern trocken gefallen und Leute haben dann einen Wasserhahn geöffnet und es floss kein Wasser mehr raus”, sagt er. Das seien zwar nur Extremfälle, sie zeigten aber, dass die Infrastruktur noch nicht an das angepasst sei, was auf Deutschland zukomme.
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Etwas anderes seien die Auswirkungen auf Industrie und Wirtschaft. “Zum Beispiel auf den Transport auf Flüssen - gerade die Schifffahrt auf dem Rhein war während der Dürrejahre wegen Niedrigwasser oft unterbrochen”, sagt PIK-Forscher Fred Hattermann. “Und das sehen wir auch in Zukunft, dass das so weitergeht.” Aber auch Kraftwerke, die Wasser aus Flüssen zur Kühlung brauchen, könnten Probleme bekommen. “Vor allem mit Blick auf die Wasserversorgung der Bevölkerung werden wir in der Zukunft häufiger Interessenkonflikte bekommen”, sagt Hattermann.
Mit den Prognosen für die Klimafolgen verhält es sich ähnlich wie mit Katastrophen, die gleichzeitig auftreten: Ihre Wirkung verstärkt sich. “Schon heute leiden viele junge Menschen in Deutschland, aber auch weltweit unter Klimaangst”, sagt Constanze Schmidt vom Wuppertal Institut. “Und mit dem Voranschreiten des Klimawandels wird es auch immer mehr Menschen geben, die deswegen unter Depressionen oder innerer Unruhe leiden.”
Laut einer repräsentativen Studie der Barmer Ersatzkasse vom November 2023 macht der Klimawandel schon jetzt 63 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren Angst. 36 Prozent der Befragten gaben sogar an, große Angst vor den Folgen zu haben. Konkret fürchten die Jugendlichen genau die extremen Wetterphänomene, zu denen es auch in NRW vermehrt kommen soll, wie Hitzewellen, Dürren und Starkregen. Aber auch der Verlust von Lebensräumen für Mensch und Tier, der Anstieg des Meeresspiegels und die negativen Folgen für die Gesundheit bereiten ihnen Sorge.
Umso wichtiger ist es laut Constanze Schmidt, sich auch bewusst zu machen, dass es positive Nachrichten in Bezug auf den Klimawandel gibt. “Zum Beispiel, dass es möglich ist, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren”, sagt sie. “In Deutschland wurden im Jahr 2023 zum Beispiel fast 43 Prozent weniger CO2 emittiert als noch 1990.”
Auch europaweit gibt es gute Nachrichten. Nach Informationen der Internationalen Energieagentur (IEA) ist der Verbrauch von Kohle in der EU 2023 um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Gleichzeitig geht die IEA davon aus, dass in diesem Jahr auch der Kohleverbrauch des weltweiten Spitzenreiters China sinken und bis 2026 ein Plateau erreichen könnte.
Und auch die Anpassung an die erwarteten Klimafolgen findet schon an vielen Orten in NRW statt. In Mülheim wurde zum Beispiel ein ehemaliges Kasernengelände zu einer Wohnanlage umgebaut und dabei so große Flächen entsiegelt, dass dort Regenwasser versickern kann. Das ist gut für Mikroklima und Grundwasser. In der Aachener Innenstadt wird an der Stelle, wo einmal ein Parkhaus stand, ein Park mit viel Grün errichtet. In Siegen wurde bereits 2016 die bis dahin einbetonierte Sieg freigelegt und in Teilen renaturiert. Dadurch wurde der Hochwasserschutz und die Lebensqualität in der Stadt verbessert.
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Auch Fred Hattermann vom Potsdam Institut hält diese Anpassungen für wichtig. “Aber die beste Maßnahme, die wir ergreifen können, um uns vor den Folgen des Klimawandels zu schützen, ist es, jetzt alles mögliche gegen den Klimawandel zu unternehmen”, sagt er. Denn die Prozesse, die jetzt durch den Ausstoß von Treibhausgasen in Gang gesetzt würden, setzten fest, in welcher Welt spätere Generationen leben müssen.
Die gute Nachricht ist, dass sich das Klima zwar bis etwa 2050 verändern wird, auch wenn das 2-Grad-Ziel eingehalten wird. Danach stehen bei maximalem Klimaschutz die Chancen aber gut, dass es sich einpendelt. Zu diesem Schluss kommen nicht nur Nick Reimer und Toralf Staud in ihrem Buch “Deutschland 2050”. Auch der Bericht des LANUV geht nach dem jetzigen Stand der Klimaforschung davon aus.
Fest steht, dass wir auch bei maximalem Klimaschutz im Jahr 2050 in einem anderen NRW leben werden, als heute. Ändert sich aber nichts und es werden weiter solche Mengen an Treibhausgas ausgestoßen wie bisher, verändert sich das Klima auch in NRW so extrem und unumkehrbar, dass die Region für die nächsten Generationen alles andere als lebenswert wird.
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Das Wichtigste aus diesem Text gibt es hier in Kurzform zum Hören:
Informationsbroschüre des Bundesumweltministeriums zu Klimawandel und Allergien
Zukunftsimpuls des Wuppertal Instituts zu Klimafolgenanpassung
6. Sachstandsbericht des Weltklimarats
UBA-Studie zu klimatischen Zwillingsstädten in Europa
Explorationsstudie des Wuppertal Instituts zu Klimawandel und Gesundheit
Pressemitteilung des Rhein-Erft-Kreises zum Nachweis der Asiatischen Tigermücke
Faktenblatt zur FSME-Impfung, Robert Koch-Institut
Empfehlung der Nationalen Expertenkommission für Stechmücken
Sinus-Studie der Barmer Ersatzkasse zu jugendlichen Lebenswelten
Treibhausgas-Emissionen in Deutschland, Umwelt Bundesamt
Buch "Deutschland 2050" von Nick Reimer und Toralf Staud
Dr. Matthias Albrecht, Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG)
Fred Hattermann, Stellvertretender Abteilungsleiter am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, Leiter der Forschungsgruppe "Hydroklimatische Risiken"
Antje Kruse, Leiterin des Fachbereichs Klimaanpassung, Klimaschutz, Wärme und Erneuerbare Energien, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW
Nick Reimer, Journalist und Co-Autor des Buches "Deutschland 2050 - Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird"
Constanze Schmidt, Wissenschaftliche Referentin Strategische Themenfeldentwicklung Klimaanpassung, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie
Text: Jörn Kießler
Redaktion: Raimund Groß, Till Hafermann
Grafiken: Madeleine Degenhardt, Till Hafermann, Jörn Kießler
Fotos: CC0/Mathias Rietschel, ddp/Rupert Oberhaeuser, dpa/Boris Roessler, dpa/Ennio Leanza, dpa/Frederico Gambarini, dpa/Oliver Berg, dpa/Patrick Pleul, imageBROKER/Newspixx/varioimages, LANUV, Lena Siebrasse, Panama Pictures, WDR/Bernd Lauter, WDR/Frank R. Weihs, Wuppertal Institut