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Autor: Jörn Kießler
Redaktion: Sarah Sanner, Johannes Kolb
Animation: Marco Hörnchen
Drohnen-Videos: Jan Knoff

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Trinkwasser in NRW

Reicht uns das Wasser trotz Klimawandel?

Der Dürresommer 2022 war quasi ein Vorgeschmack: Durch den Klimawandel wird es in NRW immer häufiger heiß und vor allem trocken. Das wirkt sich auch auf die Versorgung mit Trinkwasser aus. Werden wir in Zukunft noch genug Wasser zur Verfügung haben?

Von Jörn Kießler

Auch wenn es sich nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021 und dem relativ niederschlagsreichen vergangenen Winter anders anfühlt, aber der Klimawandel macht sich in NRW bemerkbar. Nicht nur die beiden Rekordsommer 2018 und 2019 haben das deutlich gezeigt.

Langanhaltende Phasen, in denen es gefühlt überhaupt nicht regnet und Temperaturen, die immer wieder neue Spitzenwerte erreichen, werden häufiger. Die Folge: Es wird immer trockener.

Das zeigt sich unter anderem daran, dass einige Gemeinden und Städte in NRW in den vergangenen Jahren ihre Bewohner dazu aufrufen mussten, sorgsam mit Wasser umzugehen, zum Beispiel nicht ihre Rasen zu sprengen oder die Pools in ihren Gärten zu füllen.

Auch Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) belegen diese Entwicklung. Demnach fiel in den vergangenen zehn Jahren nur in einem einzigen Jahr so viel Regen wie im langjährigen Mittel zwischen 1961 und 1990. Selbst 2021, als Teile Nordrhein-Westfalens von einer der schwersten Flutkatastrophen der Geschichte getroffen wurden, erreichte die Gesamtmenge des Niederschlags nicht den Referenzwert.

Gleichzeitig lag die Durchschnittstemperatur in jedem der selben zehn Jahre immer über dem Mittelwert der drei Dekaden, die Meteorologen als Referenz heranziehen. 2022 war sie sogar so hoch wie noch nie seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Vor allem die Anzahl der sogenannten heißen Tage, also der Tage, an denen die Temperatur auf über 30 Grad Celsius steigt, nahm in den vergangenen Jahren deutlich zu.

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Diese Entwicklung stellt vor allem die Trinkwasserversorger in NRW vor Herausforderungen. In manchen Regionen ging das nach Informationen des Umweltministeriums NRW in den vergangenen Jahren so weit, dass der Wasserbedarf "nicht mit den verfügbaren Wasserversorgungsanlagen befriedigt werden konnte".

Aber was bedeutet das für die Zukunft? Was passiert, wenn es durch den Klimawandel öfter heiße Sommer gibt und besonders trockene Phasen länger und häufiger werden? Reicht dann noch das Trinkwasser in NRW, um alle Menschen und auch die Land- und Forstwirtschaft zu versorgen?

NRW ist ein wasserreiches Land

"Grundsätzlich steht in Nordrhein-Westfalen genügend Wasser zur Sicherung der Trinkwasserversorgung zur Verfügung", heißt es dazu vom Umweltministerium NRW auf Anfrage des WDR. Trotzdem stelle "die Bewältigung langanhaltender Trockenphasen - als eine Folge des Klimawandels - für die Wasserwirtschaft in einem dichtbesiedelten Land wie Nordrhein-Westfalen eine große Herausforderung dar".

Das hängt vor allem damit zusammen, dass Wasser eine sehr regionale beziehungsweise lokale Ressource ist. Auch wenn mit Blick auf ganz NRW ausreichend Wasser zur Verfügung steht, gibt es Regionen, in denen es in besonders heißen und trockenen Phasen knapp werden kann. "Die Verteilung der Wasserverfügbarkeit ist saisonal und regional unterschiedlich verteilt", wie es das Umweltministerium auf Anfrage des WDR erklärt.

Die Qualität des Trinkwassers in NRW wird - wie überall in Deutschland - regelmäßig kontrolliert. Dafür werden in den Wasserwerken Proben genommen und unter Aufsicht der Gesundheitsämter ausgewertet. Dank dieser Qualitätssicherung kann Trinkwasser in NRW überall bedenkenlos getrunken werden. Das sagte ein Experte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wasserforschung dem WDR im März 2023.

Trinkwasser regional ungleich verteilt

Ein Beispiel dafür, dass manchmal nur wenige Kilometer darüber entscheiden, ob es ausreichend Wasser gibt oder nicht, sieht man im Kreis Gütersloh. Dort steigt der Wasserbedarf laut dem regionalen Versorger Vereinigte Gas- und Wasserversorgung GmbH (VGW) seit ein paar Jahren kontinuierlich an. So stark, dass gerade in den Abendstunden, wenn viel Wasser verbraucht wird, "die Kapazitätsgrenzen der Wasserförderung in der Region erreicht werden". Und das, obwohl die VGW bereits Wasser von Partnergesellschaften bezieht.

Um dieses Problem mit Blick auf die Zukunft zu lösen, plant Gelsenwasser – die Muttergesellschaft von VGW – eine Versorgungsleitung zwischen Beckum und Oelde. Damit soll das Rohrnetz von Gelsenwasser mit dem der VGW verbunden werden und so die "nachhaltige Versorgung mit Trinkwasser im VGW-Netz langfristig gesichert werden", wie Gelsenwasser erklärt.

Die Ruhr als Trinkwasserlieferant

Hintergrund ist, dass Gelsenwasser seine Kunden im östlichen Münsterland bis Beckum bereits aus Wasserwerken an der Ruhr versorgt. Vor allem aus dem Wasserwerk Echthausen der Wasserwerke Westfalen GmbH (WWW). Hier wird wie in anderen Wasserwerken in der Region Grundwasser mit Oberflächenwasser aus der Ruhr angereichert. Dafür wird Wasser aus dem Fluss in Versickerungsbecken geleitet. Dort versickert das Wasser in den Untergrund und wird auf diese Weise biologisch gereinigt. Anschließend wird das Wasser noch weiter aufbereitet, bevor es in das Trinkwassernetz eingespeist wird.

Dass die Versorger an der Ruhr den Fluss als Rohwasserquelle nutzen, hat einen einfachen Grund. "Grundwasser ist für die Versorgung der Menschen und Betriebe im Ruhreinzugsgebiet insgesamt nicht ausreichend vorhanden", erklärt Ramon Steggink von der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft (RWW).

Auch die RWW reichert in jedem ihrer drei Wasserwerke an der Ruhr das Grundwasser mit Flusswasser an. Das Verfahren bietet darüber hinaus noch einen weiteren Vorteil mit Blick auf besonders trockene Phasen. Denn in den Wasserwerken Mülheim-Styrum/West und Essen-Kettwig wird das fast fertig aufbereitete Trinkwasser in eine sogenannte Untergrundpassage eingeleitet, also quasi in den Boden eingespeist und dort gespeichert. In beiden Wasserwerken zusammen sind das mehr als 100.000 Kubikmeter.

"Je nach Abnahmesituation könnte die Versorgung aus diesen Wasserwerken länger sichergestellt werden – gegebenenfalls über zwei Tage", erklärt Steggink. "Alle drei Werke sind miteinander verbunden und können im Bedarfsfall die Versorgung des anderen unterstützen."

Talsperren als Schlüssel der Wasserversorgung

Um diese Art der Wassergewinnung durchführen zu können, muss jedoch ein wichtiges Kriterium erfüllt werden: Der Pegel des Flusses muss immer eine gewisse Mindesthöhe haben. "Ist eine schadlose Entnahme nicht möglich, müssen alternative Wasserressourcen genutzt werden", erklärt dazu das NRW-Umweltministerium.

Um das sicherzustellen, kommt ein weiterer wichtiger Akteur bei der Trinkwasserversorgung in NRW ins Spiel: Die Betreiber der zahlreichen Talsperren. Denn eine der Hauptaufgaben der insgesamt 30 Talsperren ist die Speicherung von möglichst viel Wasser in niederschlagsreichen Zeiten. Dieses wird dann auf unterschiedliche Weise zur Trinkwassergewinnung in NRW genutzt.

So funktioniert die Trinkwassergewinnung aus Flüssen

Aus einigen Stauseen wird direkt Wasser entnommen, zu Trinkwasser aufbereitet und über die örtlichen Versorgungsunternehmen bereitgestellt. So beziehen beispielsweise die Versorgungsunternehmen aus Wuppertal, Solingen, Remscheid und Leverkusen sowie der Wasserversorgungsverband Rhein-Wupper ihr Wasser aus der Großen Dhünntalsperre im Bergischen Land.

Der Wasserentnahmeturm im Stausee an der Großen Dhünntalsperre.

Viele andere Talsperren dienen in erster Linie dazu, die Pegel der angeschlossenen Flüsse auch in trockenen Zeiten auf einem bestimmten Niveau zu halten, sodass die Entnahme von sogenanntem Oberflächenwasser für die Aufbereitung von Trinkwasser möglich ist.

So betreibt beispielsweise der Ruhrverband mit seinen acht Talsperren das größte zusammenhängende Talsperrensystem in Deutschland. Sie alle sorgen dafür, dass die Pegel der darunterliegenden Flüsse und vor allem der Pegel der Ruhr auch im Sommer nicht zu stark absinkt. Hier wird vor allem die Anreicherung von Grundwasser mit Flusswasser betrieben.

Das Wasser aus allen Talsperren des Ruhrverbandes landet am Ende in der Ruhr.

Aber auch das Wasser aus anderen Flüssen wird genutzt, um Trinkwasser zu gewinnen. So nutzen beispielsweise die Versorger am Rhein vor allem das Verfahren der Uferfiltration. Dabei versickert das Flusswasser, wobei es biologisch gereinigt wird. Anschließend wird es in Brunnen in Ufernähe mit Grundwasser gemischt und zu Trinkwasser aufbereitet.

Unterschiedliche Methoden erhöhen Sicherheit

Diese unterschiedlichen Verfahren sind mit der Grund, warum NRW bei der Wasserversorgung gut dasteht. Auch, weil die Bedingungen beispielsweise für das komplexe System aus Talsperren und der Nutzung von Flusswasser genau dort in NRW gut sind, wo die natürlichen Speichermöglichkeiten begrenzt sind, "zum Beispiel im rheinischen Schiefergebirge", wie das Umweltministerium erklärt. Dadurch ergeben sich in NRW im Vergleich zu ganz Deutschland andere Möglichkeiten für die Trinkwassergewinnung.

Denn während bundesweit 70 Prozent des Trinkwassers aus Grund- und Quellwasser gewonnen werden, sind es in NRW laut Umweltministerium nur rund 40 Prozent. Etwa 60 Prozent der öffentlichen Wasserversorgung erfolgt demnach aus Talsperren und oberflächenwasserbeeinflusstem Grundwasser – also Uferfiltrat und angereichertem Grundwasser.

Das ist vor allem ein Vorteil mit Blick auf zurückgehende Grundwasserstände. Denn damit sich Grundwasser neu bilden kann, muss es über einen längeren Zeitraum gleichmäßige Niederschläge geben. Nur so kann sich der Boden mit Feuchtigkeit sättigen und das Wasser gelangt bis in die tiefen Bodenschichten des Grundwassers. Bei Starkregen hingegen kommen die Wassermassen nie im Grundwasser an - das Wasser fließt einfach über den Boden ab.

Gut lässt sich dieser Effekt am Beispiel der Flutkatastrophe 2021 sehen. Damals fielen allein in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli innerhalb von 24 Stunden zwischen 100 und 150 Liter pro Quadratmeter in Teilen von NRW. Laut der hydrologischen Monatsberichte des Lanuv veränderten sich die Grundwasserstände im Juli dadurch aber nicht. Im Gegenteil: In den darauffolgenden Monaten sanken sie noch weiter ab, sodass Ende Oktober fast die Hälfte aller gemessenen Grundwasserstände "signifikant zu niedrig" waren.

Ganz anders bei den Talsperren. Dort steigt der Pegel, ganz gleich in welchen Zeitraum der Regen fällt. So meldete das Lanuv nach der Flutkatastrophe 2021 deutlich höhere Füllstände als in den Jahren zuvor. Davon profitieren wir noch in diesem Jahr. So lagen beispielsweise die Füllstände aller acht Talsperren des Ruhrverbands am 11. März dieses Jahres bei 93,6 Prozent. Zum Vergleich: Im März 2019, also nach dem Dürrejahr 2018, betrug der Füllstand 87,9 Prozent.

Talsperren und Flüsse: fragiles Gleichgewicht

Die Füllstände belegen aber auch, dass das System nicht komplett gegen den Einfluss des Wetters gefeit ist. Das zeigen auch Daten des Statistischen Landesamtes IT.NRW. Demnach wurden im Jahr 2016 tatsächlich fast 59 Prozent des Trinwassers aus Talsperren und mit Flusswasser und Uferfiltrat angereichertem Grundwasser gewonnen.

2019 jedoch, als die Pegel in vielen Talsperren aufgrund des zweiten Dürrejahrs in Folge wesentlich niedriger waren, lag dieser Anteil nur noch bei rund 51 Prozent.

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Auch zu viel Regen kann zum Problem werden

Und auch ein Vorteil, den die Trinkwassergewinnung mit der Hilfe von Talsperren eigentlich hat, kann zum Problem werden – wenn zu viel Regen in zu kurzer Zeit fällt.

Denn die zweite wichtige Aufgabe der Talsperren neben der Speicherung von möglichst viel Wasser für Trockenzeiten ist der Hochwasserschutz. Dafür sollen die Betreiber in den Talsperren maximal große Volumen freihalten, um Hochwasserwellen abzufangen. Der Grat, auf dem die Betreiber bei diesem konträren Aufgaben wandeln, ist extrem schmal.

Auch das zeigte sich beim Jahrhunderthochwasser 2021. Damals reichte das freigehaltene Volumen im Rurstausee nicht aus, um die Wassermassen zu speichern. Die Folge: In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli lief die Rurtalsperre über.

Das Wasser aus dem Rursee läuft über den Rand der Rurtalsperre am 16. Juli 2021.

Und auch die Steinbachtalsperre in Euskirchen lief während der Flutkatastrophe über und drohte zu brechen. Mehrere Ortschaften mussten evakuiert werden. Die Schäden am Damm waren so groß, dass der Stausee komplett abgelassen werden musste.

Trinkwasserversorgung bleibt Herausforderung

Die Trinkwasserversorgung in Nordrhein-Westfalen funktioniert bislang gut, der Klimawandel wird sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten aber vor große Herausforderungen stellen. Das weiß auch die Landesregierung, die darauf bereits reagiert und unter anderem über weiter Möglichkeiten nachdenkt, Trinkwasser über andere Verfahren zu gewinnen.

"Auch die Bewirtschaftung von Niederschlagswasser durch Rückhalt in der Fläche und Schaffung von zusätzlichen Versickerungsmöglichkeiten ist ein wichtiger Faktor für die sichere Wasserversorgung der Zukunft", erklärt das Umweltministerium auf Anfrage des WDR. So könne dieses auf befestigten Flächen aufgefangene Regenwasser beispielsweise zur Bewässerung von Pflanzen genutzt werden. Zudem böten zusätzliche Flächen, über die der Niederschlag versickern könne, die Möglichkeit, dass mehr Wasser im Grundwasser ankommt, das dann wiederum verstärkt als Trinkwasser genutzt werden könne.

Darüber hinaus verpflichtet die Landesregierung alle NRW-Gemeinden seit 2018 Wasserversorgungskonzepte zu erstellen. Alle sechs Jahre müssen sie den aktuellen Stand und die zukünftige Entwicklung der Wasserversorgung in ihrem Gebiet unter Berücksichtigung des Klimawandels darstellen.

Auch mit diesen Daten wird im Umweltministerium an einem Konzept für langanhaltende Trockenphasen gearbeitet. Dazu sollen zunächst einmal die Regionen in NRW identifiziert werden, wo es bereits einen Wassermangel gibt oder dieser in den kommenden Jahren entstehen könnte. "In diesen Regionen werden zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein, um den Druck auf unsere Grundwasserressourcen zu verringern", heisst es aus dem Ministerium.

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