Das deutsche Rentensystem steht massiv unter Druck und muss reformiert werden. Kann die junge Generation überhaupt noch auf eine staatliche Rente hoffen? Und was kann jede und jeder tun, um nicht in Altersarmut abzurutschen?
Von Fulya Çayir und Anastasiya Polubotko
Mit der Rente ist es ein wenig wie mit der Steuererklärung: Man weiß, man muss sich damit irgendwann beschäftigen, aber muss es ausgerechnet heute sein? Oder morgen? In diesem Jahr? Viele von uns ahnen, dass es mit der Rente im Alter knapp werden könnte, oder zumindest unangenehm. Fast ein Fünftel der über 65-Jährigen gilt heute als „armutsgefährdet“ und muss mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen.
Dass es ihnen einmal so ähnlich ergehen könnte, treibt vor allem junge Menschen um: Einer repräsentativen Umfrage (pdf) zufolge machen sich 60 Prozent der unter 40-Jährigen Sorgen, im Alter von Armut betroffen zu sein.
Die Sorgen sind durchaus berechtigt: Die deutsche Gesellschaft altert, das System der gesetzlichen Altersvorsorge gerät zunehmend unter Druck. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen in Deutschland immer länger leben und damit auch länger Rente beziehen. Heute erhalten sie im Schnitt knapp 20 Jahre lang Bezüge, im Jahr 2005 waren es noch 17 Jahre.
Zum anderen zahlen immer weniger Menschen in die gesetzliche Rentenkasse ein. 2020 wird eine Rentnerin oder ein Rentner von 1,8 Erwerbstätigen finanziert. 1962 lag das Verhältnis noch bei eins zu sechs. Und jetzt gehen die sogenannten Babyboomer, besonders geburtenstarken Jahrgänge, in den Ruhestand.
Um das Rentenniveau zu halten, braucht es immer mehr Geld im System. Der Bund muss seit Jahren hohe Beträge in die Rentenkassen pumpen, alleine im Jahr 2020 waren es rund 100 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Etat des Verteidigungsministeriums ist nicht einmal halb so hoch. Ökonominnen und Ökonomen gehen davon aus, dass der Beitrag des Bundes in den kommenden Jahren weiter steigen wird – wenn die Politik nichts an den bestehenden Regelungen ändert und etwa das Eintrittsalter oder die Beiträge in die Rentenkasse erhöht.
Holger Piel (Bild oben), 32, ist ausgebildeter gestaltungstechnischer Assistent in Gütersloh und verdient in Vollzeit etwas mehr als 1.000 Euro netto im Monat. Obwohl es noch viele Jahre dauern wird, bis er in Rente geht, macht er sich schon jetzt Sorgen um Altersarmut. Er will wissen: „Warum schickt die Politik meine Generation in die Altersarmut?“ In anderen Worten: Wie sicher ist meine Rente? Und was kann ich tun, um nicht in die Altersarmut abzugleiten?
WDR-Reporter Ben Bode hat für Holger Piel nach Antworten gesucht:
Das gesetzliche Rentensystem ist als fester Bestandteil des deutschen Sozialstaats nicht per se gefährdet. Die fetten Jahre aber, die sind vorbei. Jüngere Menschen müssen damit rechnen, dass ihre Rente nur ein Teil ihrer Altersvorsorge sein kann – und selbst vorsorgen.
Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen rund um die Rente und zeigen, wie man selbst mit einer geringen monatlichen Investition eine attraktive Summe ansparen kann.
Im Einzelnen:
Gut zwei Drittel der mehr als 45 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland zahlen in die gesetzliche Rentenversicherung ein, darunter ein Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Voll- oder Teilzeit arbeiten. Sie sind verpflichtet, 18,6 Prozent ihres Bruttogehaltes in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Die eine Hälfte zahlen sie selbst, die andere der Arbeitgeber. Einzahlen müssen Beschäftigte jedoch nur bis zu einer Höchstgrenze. Diese liegt im Jahr 2021 bei monatlich 7.100 Euro in den alten und bei 6.700 Euro in den neuen Bundesländern. Im Umkehrschluss heißt das, dass die gesetzlichen Rentenansprüche nach oben hin gedeckelt sind.
Von dem Geld wird die aktuelle Rentengeneration im sogenannten Umlageverfahren finanziert. Das eigene Geld wird demnach nicht für einen selbst zur Seite gelegt, sondern direkt wieder ausgezahlt. Wer in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, erwirbt damit einen Anspruch auf eine eigene Rente. Und wer mehr einzahlt in seinem Leben, kann mit einer grundsätzlich höheren Rente rechnen.
Aktuell bekommen Rentnerinnen und Rentner, die 45 Jahre lang durchschnittlich viel in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt haben, knapp die Hälfte ihres Durchschnittseinkommens als Rente. Das sogenannte Rentenniveau, ein statistischer Kennwert, ist in den vergangenen Jahrzehnten gesunken, von 55 Prozent im Jahr 1990 auf heute 49,4 Prozent.
Dies lässt sich damit erklären, dass die eingezahlten Beiträge längst nicht mehr ausreichen, um alle Rentnerinnen und Rentner zu finanzieren. Um die Lücke zu schließen, fließt schon heute mehr als ein Viertel des Bundeshaushalts in die gesetzliche Rentenversicherung. Wenn keine politischen Gegenmaßnahmen getroffen werden, könnte es einem Gutachten aus dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge (pdf) 2060 mehr als die Hälfte des Bundeshaushaltes sein.
In der Politik herrscht Konsens darüber, dass die gesetzliche Rentenversorgung nur ein Teil der Altersvorsorge der Menschen in Deutschland sein sollte. Das hiesige Rentenmodell besteht aus drei Säulen: Neben der gesetzlichen Rente gibt es noch die betriebliche und die private Altersvorsorge, die sich aber individuell sehr stark unterscheiden können.
Im Jahr 2020 hat jede Rentnerin und jeder Rentner im Schnitt 989 Euro pro Monat erhalten. Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt jedoch große Unterschiede: Während Frauen in alten Bundesländern gerade mal 730 Euro pro Monat erhielten, bekamen Männer in den neuen Bundesländern 1.300 Euro.
Grundsätzlich wird die jeweilige Rente individuell berechnet. Der Rentenanspruch hängt etwa von der Höhe des Einkommens ab, der Anzahl der Beitragsjahre oder der Zeit, die in die Kindererziehung geflossen ist. Wer sich zum Beispiel um seine Kinder kümmert, wird von der Rentenversicherung so behandelt, als hätte sie oder er Rentenversicherungsbeiträge gezahlt – auf Basis des Durchschnittsverdienstes aller gesetzlich Versicherten.
Diese (und viele andere) Faktoren fließen in die sogenannte Rentenformel mit ein. Wie die individuelle Rente berechnet wird, erklärt die Deutsche Rentenversicherung auf dieser Seite im Detail, Rentenrechner inklusive.
Mit wie viel gesetzlicher Rente eine angestellte Kfz-Mechatronikerin oder ein Bürokaufmann rechnen kann, lässt sich nicht pauschal sagen. Will man sich einer Prognose zumindest annähern, gibt es im Internet sehr einfache Modellrechner. Das Folgende ist jedoch nicht mehr als eine sehr grobe Annäherung, die auf Plausibilitäten beruht und weder die jeweilige Familiensituation noch Gehaltssteigerungen oder die zu erwartende Inflation berücksichtigt.
Dabei ist gerade die Inflation, also der Wertverlust des Geldes, eine entscheidende Variable. Damit die Inflation nicht die ganze Rente verschlingt, wird diese immer wieder nach oben angepasst: Steigen die Löhne, steigen auch die Renten – allerdings werden sie Prognosen zufolge in Zukunft nicht in demselben Ausmaß wie die Löhne steigen. Konkret heißt das: Die ausgezahlte Rente wird zwar perspektivisch immer wieder leicht ansteigen, davon werden sich die Rentnerinnen und Rentner aber tendenziell weniger leisten können.
Die meisten Ökonominnen und Ökonomen sind sich einig: ja. Gerhard Bäcker vom Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen etwa sagt im Gespräch mit dem WDR: „Das Umlageverfahren hat sich außergewöhnlich gut bewährt.“ Es sei zwar einem „massiven Stresstest“ ausgesetzt und komme „mehr und mehr an seine Grenzen“, sagt Michael Heuser, Leiter des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung. Aber: „Wir werden dieses System aufrechterhalten können, nur bei weitem nicht so üppig, wie es zurzeit ist und in den letzten Jahren und Jahrzehnten war.“
Das Institut der deutschen Wirtschaft kommt in einer Analyse zu dem Ergebnis, dass eine Erhöhung des Renteneinstiegsalters auf Dauer notwendig sein wird. Mit dieser einen Maßnahme sei es aber noch nicht getan, sagt Heuser. Seiner Einschätzung nach muss die Politik gleich an vier Stellschrauben drehen, um das Rentensystem langfristig in der Balance zu halten. Anpassen müsse man Beitragssätze, Renteneinstiegsalter, Rentenhöhe und die Höhe der Zuschüsse durch Steuergelder. Zu einer ähnlichen Einschätzung kam im vergangenen Jahr auch der Bundesrechnungshof.
Die sechs Parteien, die aktuell im Bundestag vertreten sind, haben unterschiedliche Ideen, wie sie den Bürgerinnen und Bürgern ein finanziell sorgenfreies Leben im Alter zusichern wollen. Im Fokus aller Partei-Wahlprogramme steht die Bekämpfung der Altersarmut. Ein Überblick über die wichtigsten Forderungen – und eine Einschätzung darüber, wie realistisch eine Umsetzung der Ideen ist:
CDU/CSU. Laut dem Wahlprogramm der Union (pdf) soll das Renteneintrittsalter von aktuell 67 Jahren bestehen bleiben. CDU und CSU schlagen eine betriebliche Altersvorsorge für alle vor, um Geringverdiener vor Altersarmut zu schützen. Zudem schlägt die Union eine „Generationsrente mit einem staatlichen Monatsbeitrag zur Anlage in einem Pensionsfonds“ vor, also eine Altersvorsorge von Geburt an. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Union: die Selbstständigen. Für sie soll es eine Altersvorsorgepflicht geben, wenn sie nicht anderweitig abgesichert sind.
SPD. Geringverdienende sollen laut SPD-Wahlprogramm (pdf) geringere Beträge in die Rentenkasse einzahlen, aber keine geringere Rente bekommen. Außerdem sollen grundsätzlich alle Erwerbstätigen einzahlen, also auch Beamte, Abgeordnete und alle Selbstständigen. Das Rentenniveau soll nach der Vorstellung der Sozialdemokraten dauerhaft mindestens 48 Prozent betragen und das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren liegen. In der Rente soll künftig familienbedingte Fürsorgearbeit berücksichtigt werden. Und bei der privaten Altersvorsorge will die SPD die sogenannte Riester-Rente – eine staatlich bezuschusste private Altersvorsorge – gegen ein neues Angebot ersetzen. Dabei sollen staatliche Zuschüsse ausschließlich unteren und mittleren Einkommensgruppen zugutekommen.
AfD. Bürgerinnen und Bürger sollen nach den Vorstellungen der AfD selbst entscheiden, wann sie in Rente gehen. Und: Wer länger in die gesetzliche Rentenkasse einzahlt, soll auch bei einem geringeren Einkommen bessergestellt werden als Personen, die nicht so lange eingezahlt haben. Laut Wahlprogramm (pdf) setzt die AfD auf einen höheren Steuerzuschuss in die Rentenkasse. Die Partei will dies finanzieren, indem sie Steuern bei Migrations-, Klima- und EU-Politik spart. Auch Politikerinnen und Politiker sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen. Um Familien zu entlasten, plant die AfD, Eltern bei der Geburt eines Kindes bereits entrichtete Rentenbeträge in Höhe von 20.000 Euro zurückzuzahlen – oder sie von künftigen Beiträgen in gleicher Höhe freizustellen.
FDP. Die Liberalen wollen die Bausteine des Drei-Säulen-Systems flexibler gestalten. Laut Wahlprogramm (pdf) sollen Bürgerinnen und Bürger ab 60 Jahren selbst entscheiden können, wann sie in Rente gehen, wenn bis dahin das Grundsicherungsniveau erreicht ist. Zudem sollen Ansprüche aus einer betrieblichen Altersvorsorge bei einem Arbeitgeberwechsel mitgenommen werden können. Für Geringverdiener wollen die Liberalen statt der im Januar eingeführten Grundrente eine Basis-Rente einführen, die direkt bei der Rentenversicherung (und nicht beim Sozialamt) beantragt werden kann. Die FDP schlägt ferner eine „gesetzliche Aktienrente“ vor. Dabei soll ein großer Betrag in die umlagefinanzierte Rentenversicherung fließen und ein kleinerer Betrag – etwa zwei Prozent des Bruttoeinkommens – in einer kapitalgedeckten Altersvorsorge angelegt werden. Schweden hat mit einem ähnlichen Rentenmodell gute Erfahrungen gemacht.
Bündnis 90/Die Grünen. Das Rentenniveau soll laut Wahlprogramm (pdf) bei mindestens 48 Prozent bleiben, das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren, ein früheres oder späteres Eintreten jedoch vereinfacht werden. Die Grünen schlagen vor, die Steuerzuschüsse in die Rentenkasse bei Bedarf zu erhöhen. Nach und nach soll aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine „Bürger:innenversicherung“ werden, die alle Erwerbstätigen einbezieht. Die Grundrente soll für Geringverdienende zu einer Garantierente werden. Das aktuelle Umlagesystem wollen die Grünen durch eine kapitalgedeckte Altersvorsorge ergänzen. Auf Arbeitgeberseite fordern sie eine betriebliche Altersvorsorge für alle. Die Riesterrente soll nach Vorstellungen der Grünen durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzt werden.
Die Linke. Als einzige der sechs Parteien will die Linke das Renteneintrittsalter senken: Bürgerinnen und Bürger sollen wieder mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Und wer 40 Beitragsjahre vorweist, soll sogar schon ab 60 Jahren ohne Einbußen in Rente gehen dürfen. In die Rentenversicherung sollen laut Wahlprogramm (pdf) künftig alle einzahlen – auch Selbstständige, Politiker und Beamte. Die Linke möchte ferner das Rentenniveau innerhalb einer Legislaturperiode auf 53 Prozent anheben. Für Geringverdienende will die Partei eine sogenannte solidarische Mindestrente von 1.200 Euro für niedrige Einkommensgruppen aus der Steuerkasse bezahlen lassen. Bei der betrieblichen Altersvorsorge möchte die Linke die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen – sie sollen den überwiegenden Teil als betriebliche Sozialleistung finanzieren.
Keine Partei fordert zum Beispiel eine Rente mit 70 Jahren. „Das klingt gut, lässt aber völlig offen, wie die gesetzliche Rente künftig bezahlt werden soll“, sagt WDR-Rentenexpertin Linda Staude. Wegen der „doppelten Haltelinie“, einem Bundesgesetz aus dem Jahr 2018, sind höhere Rentenbeiträge und niedrigere Renten bis 2025 ausgeschlossen. Damit bleibt laut Staude nur noch der Steuerzahlende, der das wachsende Loch in der Rentenkasse auffüllen könnte.
AfD, Linke und Grüne fordern beispielsweise einen höheren Steuerzuschuss des Bundes. Keine der sechs Parteien erkläre in ihrem Wahlprogramm allerdings, woher das fehlende Geld kommen soll, sagt Staude. SPD, Grüne und Linke wollen beispielsweise mehr Beitragszahlende generieren, indem sie auch etwa Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung aufnehmen wollen. Aber diese neuen Beitragszahlenden müssen im Rentenalter dann auch Leistungen aus der gesetzlichen Rentenkasse bekommen. „So wird das Problem nur vertagt, aber nicht gelöst“, sagt Staude.
Bei der „gesetzlichen Aktienrente“ der FDP sparen die Beitragszahlenden für ihr eigenes Alter etwas an, aber dieses Geld wiederum fehlt in der Rentenkasse. Auch CDU/CSU und Grüne setzen auf den Aktienmarkt, aber – soweit überhaupt Details bekannt sind – als private Zusatzvorsorge, die Geringverdienende sich erst einmal leisten können müssen.
„Da die Rentenkonzepte nicht einmal klar sagen, wie die Geldprobleme der existierenden Rentenversicherung gelöst werden können, ist erst recht unklar, wo das Geld für zusätzliche Wohltaten herkommen soll“, sagt die WDR-Rentenexpertin. Ihr Fazit: „Die Mindestrente der Linken, die Garantierente der Grünen, die Basisrente der FDP, die zusätzlichen Zahlungen für Eltern der AfD sind Wahlversprechen, nicht mehr.“
Der sogenannte Grundrentenzuschlag ist ein individueller Bonus für Menschen, die sonst eine geringe gesetzliche Rente bekommen würden. Er wird, in Höhe von maximal 418 Euro pro Monat, an die ausgezahlt, die mindestens 33 Jahre gearbeitet, dabei aber wenig verdient haben. In der Zeit müssen die potenziellen Empfängerinnen und Empfänger Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt haben, allerdings nicht weniger als 30 Prozent des Durchschnitts. Wer in dieser Zeit Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, kann sich die Zeit anrechnen lassen.
Schätzungen des Bundesarbeitsministeriums zeigen: Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland erfüllen diese Voraussetzungen – vor allem Frauen, die statistisch häufiger in schlechter bezahlten Jobs arbeiten oder die Verantwortung für Kindererziehung und Pflege übernehmen.
An dem Konzept gibt es aber auch Kritik. „Die Grundrente schafft auf zwei Arten neue Ungerechtigkeiten“, sagt Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. Die eine Ungerechtigkeit sei, dass fast 70 Prozent der Grundrente-Berechtigten eigentlich keinen Anspruch darauf haben sollten, würde auch das Vermögen einbezogen. Wer zum Beispiel in seinem eigenen Haus lebt, benötigt weniger Geld als jemand, der monatlich Miete zahlen muss. Die andere Ungerechtigkeit sei, dass sehr viele Menschen, die tatsächlich mit Armut kämpfen, keine Chance auf diesen Zuschlag hätten, weil sie zum Beispiel nicht lange genug gearbeitet oder zu wenig in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben.
Expertinnen und Experten sind sich einig: Wer das Leben im Alter so angenehm wie möglich gestalten will, sollte sich – nach Möglichkeit – nicht nur auf die staatliche Rentenversicherung verlassen und in eine betriebliche und/oder private Altersvorsorge investieren. „Es ist ja heute auch schon so, dass die gesetzliche Rente uns nur einen Grundstock sichert. Und genau so wird es auch in der Zukunft sein, wenn nicht sogar ein wenig schlechter“, sagt die Finanzbloggerin und -beraterin Hava Misimi.
Eine Betriebsrente wird, wie der Name schon andeutet, durch den Betrieb geregelt und organisiert. Der Arbeitgeber entscheidet, wie genau sie aussieht und wie viel er davon übernimmt. In einigen Fällen zahlt der Arbeitgeber die betriebliche Altersvorsorge sogar allein – in dem Fall rät die Verbraucherzentrale Beschäftigten, die zusätzliche Versorgung auf jeden Fall wahrzunehmen. In Fällen, wo sich Arbeitgeber und Erwerbstätige die Kosten teilen, muss individuell abgewogen werden, ob sich so eine betriebliche Rente wirklich lohnt. Ein Richtwert dafür kann die Höhe der Beteiligung sein: Laut der Verbraucherzentrale sollte sich der Arbeitgeber mit mindestens 20, besser noch 30 Prozent am Bruttobeitrag beteiligen.
In der privaten Altersvorsorge sehen Ökonominnen und Ökonomen den größten Spielraum für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wegen niedriger Zinsen ist das klassische Sparen über Sparbuch, Tages- oder Festgeldkonto jedoch unattraktiv geworden. Wer langfristig sparen möchte, komme um Kapitalmärkte nicht mehr herum, sagt Michael Heuser vom Deutschen Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung.
Gerade als Anfängerin oder Anfänger seien einzelne Aktien aber nicht geeignet, sagt Misimi, das Risiko sei einfach zu hoch. Sie rät zu regelmäßigen Investitionen selbst von kleinen Beträgen in Fonds, zum Beispiel in sogenannte ETFs (Exchange Traded Funds), also in einen Korb von einzelnen Wertpapieren, die einen Aktienindex nachbilden. Im Idealfall sollten diese relativ breit gestreut sein, dann sei das Risiko viel geringer. Wer langfristig investiere, könne darüber hinaus Schwankungen einfach aussitzen und müsse sich auch nicht jeden Tag mit dem Thema auseinandersetzen.
Das perfekte Alter gibt es nicht, sagt die Finanzbloggerin und -beraterin Hava Misimi. Aber es gelte eine Faustregel: „Lieber heute als morgen!“ Wer wenig Geld zur Verfügung habe, müsse zunächst die Kontrolle über seine eigenen Ausgaben gewinnen, und zwar nicht nur über Fixkosten wie Miete und Strom, sondern auch über variable Kosten wie zum Beispiel Streaming-Dienste – auch kleinere regelmäßige Ausgaben häufen sich über die Zeit.
Das beste Argument dafür, so früh wie möglich mit dem Sparen zu beginnen, sei der sogenannte Zinseszins-Effekt, sagt Misimi: Wer früh mit kleinen Beiträgen anfange zu investieren, könne bis zum Alter mehr Kapital erwirtschaften als jemand, der erst zehn Jahre später mit höheren Beiträgen starte. Hier ein Rechenbeispiel, erstellt mit einem frei verfügbaren ETF-Sparplanrechner:
Als Faustregel nennen Finanzberaterinnen und Finanzberater häufig eine Zahl: Man sollte zehn Prozent des eigenen Einkommens versuchen zu sparen. „Ich bin aber auch kein Freund davon, sich alles aus den Rippen zu schneiden“, sagt Misimi. Wer wenig verdiene, könne mit so einer Faustregel nicht unbedingt etwas anfangen. Wichtiger sei es ihr zufolge, sich selbst zu fragen: Was kann ich investieren, wo kann ich möglicherweise etwas ansparen? Auch 25 Euro pro Monat seien schon ein super Start.
Folge 1:
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