Brennende Wälder sind auch in NRW keine Seltenheit mehr und zeigen: Die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Doch auch andere Faktoren tragen zu dem steigenden Waldbrandrisiko bei. Wie gehen wir damit um? Die Landesregierung hat für NRW entsprechende Pläne erarbeitet, die dem WDR vorliegen.
von Timo Landenberger
Mit sorgenvoller Miene blickt Hartwig Dolgner auf die vertrockneten Pflanzen und auf den Boden, der mit grünem Laub bedeckt ist. „Wenn die Bäume bereits im Sommer ihre noch grünen Blätter abwerfen, dann trennen sie sich von Ballast und versuchen Wasser zu sparen“, sagt er. Ein klarer Indikator für extreme Trockenheit und damit steigendes Waldbrandrisiko.
Im Naherholungs- und Naturschutzgebiet Hohe Ward südlich von Münster kennt Dolgner beinahe jeden Baum. Als Waldbrandexperte beim Landesbetrieb Wald und Holz NRW ist er zwar für das ganze Land zuständig. Trotzdem ist dieser Wald für den Münsteraner so etwas wie sein zweites Zuhause. Ein Zuhause, das immer unsicherer wird.
Laut Landesamt für Natur- Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) hat sich die Anzahl der Tage mit hoher oder sehr hoher Waldbrandgefahr in NRW in den letzten Jahrzehnten verdoppelt. So gab es zwischen 1961 und 1990 durchschnittlich zehn Tage pro Jahr, 1991 bis 2020 waren es 21.
Noch deutlicher zeigt sich die Entwicklung an der Anzahl tatsächlicher Brände und der abgebrannten Fläche. So gab es im Rekordjahr 2020 landesweit 229 Waldbrände auf einer Gesamtfläche von knapp 63 Hektar, was etwa 88 Fußballfeldern entspricht. Allein auf dem Hömericher Kopf bei Gummersbach wurden 25 Hektar Wald vernichtet.
Hauptgrund für die steigende Waldbrandgefahr ist der Klimawandel. Häufigere und längere Hitzeperioden führen laut LANUV zu einem wesentlich höheren Wasserbedarf, der in Kombination mit zunehmender Trockenheit nicht mehr gedeckt werden kann. Trockene, geschädigte oder gar abgestorbene Pflanzen und Bäume sind sehr leicht entzündlich und bieten dem Feuer Nahrung. Wälder mit Hanglage sind dabei besonders gefährdet, da sich Brände noch oben hin schneller ausbreiten.
Auch die Form der Waldbewirtschaftung trägt erheblich zum Waldbrandrisiko bei. Vor allem die teils großflächigen Kiefern- und Fichtenplantagen sind problematisch.
„Durch ihre Strukturarmut leisten Monokulturen dem Feuer Vorlauf. Außerdem enthalten die Nadelhölzer ätherische Öle, die besonders gut brennen“, sagt Hartwig Dolgner. Dennoch wurden in der Vergangenheit riesige Flächen in Deutschland mit Fichten und Kiefern aufgeforstet.
In NRW besteht rund ein Drittel der Waldfläche aus Nadelhölzern. Im deutschlandweiten Durchschnitt sind es sogar 50 Prozent. Doch warum eigentlich?
Den Ursprung der heute vielfach kritisierten Monokulturen im Wald bezeichnet Dolgner als „kulturhistorische Großtat.“ Im Mittelalter war Holz praktisch der einzige Rohstoff zum Bau von Häusern, Karren, Schiffen und zum Heizen. Über Jahrhunderte wurden Deutschlands Wälder gefällt bis kaum noch ein Baum stand. „Die erste Energiekrise in Europa“, sagt Dolgner.
„Der Schwarzwald ohne Bäume. Das ist heute kaum noch vorstellbar.“
Angesichts der dramatischen Holzverknappung wurde bereits vor 300 Jahren das Prinzip der Nachhaltigkeit begründet. Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz aus Freiberg (Sachsen) stellte 1713 fest, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen kann und legte damit den Grundstein für die heutige Forstwirtschaft.
Infolgedessen hat Steinkohle in Deutschland zunehmend das Feuerholz ersetzt und Eisenerz gewann als Rohstoff an Bedeutung. Vor allem aber wurde nach einer Möglichkeit gesucht, aus der zwischenzeitlichen Halbwüste wieder ein waldreiches Land zu machen. Und das möglichst schnell. Die Lösung: Fichte.
„Der Baum wächst schnell, ist leicht zu pflegen und das Holz ist sehr gut zu verarbeiten“, sagt Dolgner. Entsprechend könne damit in kurzer Zeit viel Geld verdient werden. Kurzum: Die Fichte wurde in Deutschland zu einer Erfolgsgeschichte und das ist sie bis heute. Aber: Sie ist im mitteleuropäischen Tiefland überhaupt nicht heimisch. Der Baum braucht kühlere Temperaturen und vor allem mehr Feuchtigkeit. Infolge des fortschreitenden Klimawandels wird seine biologische Grenze immer deutlicher, was auch ein zunehmendes Waldbrandrisiko darstellt.
Das Ziel sei deshalb, klimaresiliente Wälder zu schaffen, sagt Dolgner. „Aber niemand weiß mit Sicherheit, welche Bäume sich dafür am besten eignen.“ Ohne menschliche Eingriffe würden in Deutschland überwiegend Buchenwälder vorherrschen. Doch auch die Buche kommt mit der zunehmenden Erderwärmung und Trockenheit nur schwer zurecht.
Das sogenannte „Wiederbewaldungskonzept” in NRW sieht deshalb vor, möglichst vier verschiedene Baumarten auf eine Fläche zu bringen, um zu sehen, welche davon sich durchsetzt. Den Wald in dieser Form umzugestalten, wird staatlich gefördert, dennoch mangelt es an großflächiger Umsetzung.
Mehr als 60 Prozent des Waldes in NRW sind in Privatbesitz und der Waldumbau ist nicht verpflichtend. Eine politische Durchsetzung sei auf absehbare Zeit schwer vorstellbar und nach wie vor seien viele Waldbesitzer von den Vorzügen der Nadelhölzer überzeugt, sagt Dolgner.
Das Waldbrandrisiko wird auch in Zukunft weiter ansteigen. Was heißt das für den Schutz der Bevölkerung? Für diesen sind in erster Linie die Kommunen zuständig. „Wir sind alle in höchster Alarmbereitschaft“, sagt Ute Kreienmeier, Referatsleiterin für Kommunalwald und Forstwirtschaft beim Deutschen Städte- und Gemeindebund.
„Es zeigt sich, dass bereits kleinere Brände in einem dicht besiedelten Land wie NRW ganze Ortschaften bedrohen können, wenn sie außer Kontrolle geraten“.
Im internationalen Vergleich seien die Waldwege in NRW zwar gut erschlossen. Auch sei die Dichte der Feuerwehren in Deutschland mit über 900.000 Einsatzkräften weltweit einmalig. Doch in vielen Wäldern fehle die nötige Infrastruktur. „Befahrbare Wege, Wasserentnahmestellen, Systeme zur Branderkennung müssen deutlich verbessert werden“, so Kreienmeier.
Der Ansicht ist auch Waldbrandexperte Dolgner. Zwar sei man dabei, Wege zu sanieren und Löschteiche anzulegen. Das scheitere jedoch häufig an langwierigen Genehmigungsverfahren und Vorbehalten von Umweltschützern.
Die Landesregierung ist sich der Probleme bewusst. So haben Landwirtschafts- und Innenministerium ein gemeinsames Konzept zur Waldbrandvorbeugung und Bekämpfung in NRW erarbeitet. Der Aufbau einer geeigneten und spezialisierten Gefahrenabwehr sei eine „elementare Aufgabe“, die in der Zukunft weiter an Bedeutung gewinne, heißt es in dem Dokument, das am 9. August offiziell vorgestellt wurde und dem WDR bereits vorab vorlag.
Zu den möglichen Maßnahmen, um die Bevölkerung zu schützen, gehört demnach auch ein Sicherheitsabstand von mindestens 35 Metern zwischen Wald und Gebäuden. Eine entsprechende gesetzliche Vorschrift gebe es allerdings nicht. Somit liege es an den Kommunen, in den Bebauungsplänen einen Mindestabstand zu berücksichtigen.
Innerhalb der Wälder will die Landesregierung unter anderem auf Schutzstreifen setzen, um die Ausbreitung von Bränden zu verhindern. Da diese von vielen Parametern abhängig sei, könne dafür keine allgemein gültige Regel erlassen werden. Als Faustregel gelte aber: Die Schneisen sollten von allen schnell entflammbaren Pflanzen befreit und doppelt so breit sein, wie die angrenzenden Bäume hoch sind.
So könnten Brände unter Kontrolle gehalten werden, die sich nicht löschen lassen. Etwa, weil ein hoher Anteil an totem Holz den Brand beschleunigt und eine effektive Bekämpfung unmöglich macht. „Brandlast” heißt das im Feuerwehr-Jargon. Doch in Naturschutzgebieten darf Totholz nicht beseitigt werden, gilt für die Artenvielfalt und Gesundheit des Waldes als unerlässlich.
„Ökologisches Gold”, sagen deshalb Umweltschützer. „Gold, das sehr gut brennt”, sagen Waldbrandexperten wie Hartwig Dolgner.