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Autorin: Sabine Schmitt
Grafik: Henri Katzenberg
Redaktion: Thierry Backes, Till Hafermann

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Gehen wir noch auf ein Bierchen?

Oder doch besser auf „ein Getränk“? Fünf Tipps für einen besseren Umgang mit Menschen, die keinen Alkohol trinken

Von Sabine Schmitt

Neulich in der Kneipe: Fünf Arbeitskollegen bestellen ein Bier, der sechste eine Cola. Es dauert nicht lange, dann stellt jemand die Frage, die immer irgendjemand stellt in solchen Situationen: „Bitte, was trinkst du da?“

Die eigentliche Frage aber lautet: Warum müssen Menschen, die keinen Alkohol trinken, sich ständig dafür rechtfertigen? Wäre es nicht besser, wenn das Thema gar keines wäre?

Wir haben mit vier Menschen über unangenehme Erfahrungen gesprochen. In diesem Text zeigen wir, wie ein besseres Miteinander beim Feierabendgetränk, auf der Firmen- oder der Familienfeier gelingen kann.



Respektieren, was andere wollen

Wenn Freunde, Verwandte, Bekannte oder Geschäftspartner sagen, dass sie keinen Alkohol trinken möchten, „dann sollte man das erst mal unkommentiert so stehen lassen“, sagt die Psychologin Denise Schalow. Sie arbeitet in Düsseldorf bei der Diakonie und in der Suchtberatung und weiß, dass nicht jeder über das Thema sprechen möchte.

Wer doch etwas über den Grund erfahren will, sollte erst um Erlaubnis für Nachfragen bitten. Die Studentin Romina trinkt selbst auch keinen Alkohol und beschreibt, wie das formuliert sein könnte, damit es sich gut anfühlt – etwa so: „Möchtest du erzählen, warum du keinen Alkohol trinkst? Es interessiert mich. Musst du aber nicht.“ Wenn die Antwort darauf „Nein“ ist, sind weitere Fragen oder Kommentare tabu.

Wer trotz fehlender Gesprächsbereitschaft immer wieder nachfragt oder auf einer Antwort besteht, sei nicht nur unhöflich, sondern auch übergriffig, sagt die ehemalige Alkoholikerin Marie.



Psychologin Denise Schalow (Foto: Sabine Schmitt)



Niemanden zum Lügen nötigen

Besonders unangenehm sei es, wenn Menschen zum Lügen gezwungen würden, weil sie nicht über Gründe sprechen möchten, sagt die Psychologin Schalow. Das gelte insbesondere für trockene Alkoholikerinnen und Alkoholiker, aber auch für alle andere Menschen – etwa bei einer Schwangerschaft oder einer Erkrankung.

Tragisch sei das vor allem im Falle des Alkoholikers, sagt Schalow: „Er musste während seiner Abhängigkeit ständig lügen. Jetzt hat er es geschafft, vom Alkohol wegzukommen – und muss wieder lügen.“

Alternative Getränke bereithalten – aber Vorsicht bei alkoholfreiem Bier

Die Auswahl an alkoholfreien Getränken ist groß und reicht weit über Saft oder Softdrinks wie Cola und Limonade hinaus. Es gibt außerdem nicht nur alkoholfreies Bier, sondern längst auch Wein, Wodka, Gin sowie sprudelnde Säfte als Ersatz für Sekt und Prosecco.

„Der Markt explodiert. Es gibt tolle Alternativen“, sagt Eva Biringer, Journalistin und selbst trockene Alkoholikerin. Auch Kombucha, ein fermentierter und leicht sprudelnder Tee, oder Mocktails (alkoholfreie Cocktails) seien gute Alternativen, findet sie. Auf einer Party neben Bier und Wein nur Wasser und Saft bereitstellen, das reiche nicht. „Wasser und Saft sind für Kinder“, sagt Biringer.



Journalistin Eva Biringer (Foto: Florian Reimann)



Wer als Gastgeber auch alkoholfreies Bier, alkoholfreien Wein und Ähnliches anbietet, muss dennoch behutsam sein. Alkoholfreies Bier, alkoholfreier Wein und andere Alternativ-Getränke enthalten zwar nur eine geringe Menge Restalkohol, aber auch das kann zu einem Rückfall führen.

„Wenn dann jemand kommt und sagt: ,Jetzt habe ich extra für dich alkoholfreies Bier gekauft‘, kann das Menschen in die Bredouille bringen“, sagt die Psychologin Denise Schalow. Die Betroffenen würden natürlich sehen, dass ihnen jemand etwas Gutes tun wollte. Da sei es schwer zu sagen: „Das trinke ich aber auch nicht.“ Schalow: „Und dann müssen diese Menschen ihre Entscheidung wieder begründen, weil die Ablehnung sonst als unhöflich empfunden werden könnte.“

Auf die Sprache achten 

Nach der Arbeit trifft man sich in Deutschland auf ein „Feierabendbier“ – aber warum eigentlich? „Das kann man auch neutraler formulieren“, sagt die Journalistin Eva Biringer. Wenn sich Freunde oder Arbeitskolleginnen vorab auf ein „Getränk“ auf dem Weihnachtsmarkt verabreden, fühlen sich auch die willkommen, die statt eines Glühweins lieber einen alkoholfreien Punsch trinken.

Alkohol nicht als Normalzustand ansehen

Bestimmte Veranstaltungen wie Elternabende oder Firmenfeiern ohne Alkohol zu planen, ist auch eine Frage des Respekts. Das kommt allen Menschen entgegen, die aus unterschiedlichen Gründen auf Alkohol verzichten. „Jeder sollte ein Verständnis dafür entwickeln, damit sich jede und jeder in unserer Gesellschaft wohlfühlen kann“, sagt die Psychologin Denise Schalow.

Wer davon ausgeht, dass Alkohol immer und für jeden dazugehört, grenzt Menschen aus. Denise Schalow: „Ein Alkoholiker würde zum Beispiel nicht sagen: ,Ich möchte mich lieber dort treffen, wo kein Alkohol ausgeschenkt wird.‘ Der würde im Zweifelsfall einfach wegbleiben – und dann wundern sich beim Elternstammtisch alle, warum er nie kommt.“ Dabei würde vermutlich auch er gerne erfahren, was in der Schule so los ist.

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Autorin: Sabine Schmitt

Grafik: Henri Katzenberg

Redaktion: Thierry Backes, Till Hafermann