Stau-Ende in Sicht?
Die Rheinbrücke zwischen Köln und Leverkusen ist eines der größten Bauprojekte in NRW. Seit sieben Jahren wird sie neu gebaut, während der Verkehr an einer der am stärksten befahrenen Brücken Europas für Autos weiterläuft - und dabei oft ins Stocken gerät. Jetzt wurde die Fahrbahn eingesetzt. Spannende Fakten und die spektakulärsten Bilder der Mega-Baustelle.
Von Johannes Kolb (Text) und Frank R. Weihs (Fotos und Videos)
60 km/h für Autos, kontrolliert von insgesamt 24 Blitzern. Für schwere Fahrzeuge sogar Durchfahrverbote, kontrolliert von einer Schrankenanlage: Die Rheinbrücke verlangt Autofahrenden seit Jahren einige Nerven ab. Für die Städte Köln und Leverkusen ist sie dagegen quasi eine Goldgrube.
Die Stadt Leverkusen ist auf der Rheinbrücke zuständig für die Fahrtrichtung West. Seit 2014 hat sie, nach eigenen Angaben, allein wegen zu hoher Geschwindigkeit Bußgelder in Höhe von mehr als 11 Millionen Euro verhängt. Wegen Verstößen gegen das Lkw-Verbot sogar fast zwölf Millionen Euro.
Bußgelder der Stadt Leverkusen von 2014 bis August 2023
Die Stadt Köln macht nur Angaben für den Zeitraum von 2016 bis 2022 - in dieser Zeit sind immerhin 8.456.523,61 Euro zusammengekommen.
Warum darf man auf der Rheinbrücke nur 60 km/h fahren?
Als die Rheinbrücke 1965 eröffnet wurde, konnten sich die Planer das heutige Verkehrsaufkommen offenbar nicht einmal vorstellen. Sie war zum Zeitpunkt der Eröffnung für 40.000 Fahrzeuge täglich ausgelegt - die damals im Schnitt auch noch deutlich leichter waren.
Was passiert, wenn eine Brücke jeden Tag von einem Vielfachen der Fahrzeuge belastet wird, für die sie eigentlich konstruiert wurde? Das verrät der genaue Blick ins Innere und auf die Unterseite der Rheinbrücke: Hunderte Risse lassen sich in der Tragwerkskonstruktion finden.
Ein Riss im Inneren der Leverkusener Rheinbrücke.
Die Risse entstehen, weil jedes Fahrzeug die Brücke ganz leicht nach unten biegt. Je schwerer das Fahrzeug, desto mehr wird der Brückenstahl beim Vorbeifahren gebogen. Und je schneller das Fahrzeug fährt, desto schneller muss der Stahl die Belastung auch wieder abfedern. Deswegen wurde die Brücke für schwere Fahrzeuge gesperrt und Autos dürfen nur noch mit 60 km/h fahren.
Man kann sich das ungefähr vorstellen, wie das Biegen einer Büroklammer. Wenige Male Hin- und Herbiegen? Kein Problem. Biegt man die Büroklammer aber zu oft oder zu schnell, bricht sie. Natürlich lassen sich Büroklammern und Autobahnbrücken nur bedingt vergleichen, aber auch der tonnenschwere Stahl der Brücke gibt irgendwann den ständigen Vibrationen nach.
Wie hält eine Autobahnbrücke? Die Maus Sendung mit der Maus erklärt's:
Deswegen muss die Rheinbrücke - wie jedes andere Bauwerk auch - regelmäßig saniert werden. Kaputte Bleche wurden beispielsweise ausgetauscht, Risse zugeschweißt. Doch spätestens als 2013 auch noch Schäden in den Seilkammern, in denen die Brückenseile verankert sind, festgestellt wurden, war klar: Mit Reparaturen kommt man hier bald nicht mehr weiter. Die Brücke ist so kaputt, es muss was Neues her - und für schwere Fahrzeuge wird die Rheinbrücke vorerst zum Tabu.
Die gigantische Baustelle in Bildern
Tauchen Sie mit uns ein - in den Baustellen-Kosmos Rheinbrücke Leverkusen ...
Die ersten Stützen stehen - es ist zu erkennen: Auf der Baustelle tut sich was. | März 2020
Zwei Jahre später sieht das schon fast nach einer Brücke aus. | März 2022
Die großen Bauteile werden per Frachtschiff transportiert und mit dem Kran an Land gehoben. | Mai 2022
Das wird mal die Fahrbahn der neuen Brücke: Beton-Fertigteile werden auf die Fahrbahnebene gehoben und dort montiert. | August 2022
Stahlelemente der Brücke werden verschweißt. | August 2022
Mit einem 700-Tonnen-Raupenkran wird ein Teilstück des ersten Brücken-Pylons positioniert. | September 2022
Ein Tag später: Das Abschlusselement des Pylons ist da. | September 2022
Ein Brücken-Fertigteil, ein Hohlkasten, wird über den Rhein angeliefert. | Januar 2023
Echte Schwerstarbeit - draußen ...
... und im Inneren der Brücke. | Februar 2023
Fast fertig! Die neue Brücke im Querschnitt. | März 2023
Nur noch 31 Meter - die Rheinbrücke Leverkusen kurz vor dem Brückenschluss. | August 2023
Sperrung der Rheinbrücke: Vor allem für LKW eine Zumutung
Besonders belastend ist die Mega-Baustelle für Lkw-Fahrer, die weite Umwege auf sich nehmen müssen.
Seit Ende 2012 ist die Brücke mit kleinen Unterbrechungen für alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen gesperrt. Zu dem Zeitpunkt hatten auf ihr täglich bis zu 20.000 Lastwagen, Transporter und Wohnmobile den Rhein überquert.
Damit die Brücke noch ein paar Jahre hält, war die Sperrung für schwere Fahrzeuge zwar unerlässlich, für Lkw-Fahrer allerdings eine ganz schöne Zumutung. 70 Euro und einen Punkt in Flensburg zu riskieren, war für viele die bessere Alternative im Vergleich zu dutzenden Kilometern Umweg, Verspätungen und einer höheren Gefahr, die Lenkzeit zu überschreiten.
Jedes Jahr ignorierten tausende Fahrer die Sperre - die Polizei konnte das zunächst nicht vollständig verhindern. Bis Ende September 2016 riesige Waagen in die Straße eingebaut wurden. Seitdem schließen sich vor jedem Fahrzeug mit über 3,5 Tonnen, das auf die Brücke fahren will, automatisch Schranken.
Brückenbau - Ende in Sicht?
Doch wie baut man eine der am stärksten befahrenen Autobahnbrücken Deutschlands neu, ohne für Jahre ein totales Verkehrschaos in der ganzen Region zu verursachen? Die Planer entscheiden sich am Ende für einen Neubau in zwei Teilen.
Der erste Teil entsteht nördlich der bestehenden Brücke. Nach sechs Jahren Bauarbeiten ist der erste Brückenteil mit vier Fahrspuren jetzt fast fertig. Der Bau liegt im Zeitplan, obwohl 2020 dem ursprünglichen Bauträger wegen mangelhafter Stahlteile gekündigt wurde.
Wenn der Verkehr dann über den ersten neuen Brückenteil fließt, wird die alte Brücke abgerissen. Dort, wo sie seit 1965 stand, wird bis 2027 der zweite Brückenteil gebaut. Wenn auch der fertig ist, wird die neue Brücke über den Rhein insgesamt vier Fahrspuren in jede Richtung haben - plus je einen Fahrrad- und Fußgängerweg auf jeder Seite.
Mit dem Brückenschluss wurde ein wichtiger Schritt gemacht: Ein letztes gigantisches Bauteil wurde geliefert und eingesetzt. Nach sechs Jahren Bauzeit ist die Brücke über dem Rhein verbunden.
Jetzt ist "Feinschliff" angesagt - etwa zwei Wochen nach Brückenschluss wurde nun auch die Fahrbahn eingesetzt. Wenn alles gut läuft, soll die Brücke Ende Dezember komplett fertig gestellt sein und der Verkehr Ende Januar endlich fließen.
Über dieses Thema berichten wir am Dienstag, 5. September 2023, unter anderem im WDR 5 Morgenecho und im WDR Fernsehen in der Aktuellen Stunde.