Was ich nie wieder erleben will, ist in einem Konferenzsaal zu sitzen, in dem der Chef Menschen, die so aussehen wie ich, als Terroristen bezeichnet.
Es fängt mit Witzen oder ironischen Kommentaren an und geht bis zu offener Anfeindung - Diskriminierung im Berufsleben. Weil Hautfarbe oder sexuelle Orientierung anders sind, wegen einer Behinderung oder dem Geschlecht werden Menschen herabgewürdigt. Noch immer und viel zu oft. Einige von ihnen erzählen hier ihre Geschichten. Sie klagen an und fordern: Unsere Gesellschaft muss vorurteilsfreier, vielfältiger und gerechter werden.
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Pflegerin Julia musste von Patienten sexuelle Gewalt ertragen und wurde von Kollegen nicht ernst genommen.
Tolga hat wegen seines Aussehens Diskriminierung erlebt - sein Chef verglich ein Model, das ihm ähnlich sah, mit einem Terroristen.
Sigrun wird im Arbeitsleben ausgegrenzt, weil sie nur ein Bein hat. Sie fragt: Warum bekommen Menschen, die eine Behinderung haben, keine Chance?
So offen über Erniedrigung und Zurückweisung zu sprechen erfordert viel Mut. Nicht jeder und nicht jede kann das - die Erfahrungen sind oft noch zu frisch oder der Schmerz zu tief. Dennoch: Anonym - oder nur mit Vornamen - wollen sie ihre Erlebnisse teilen, um anderen Mut zu machen und zu zeigen: Du bist nicht allein!
Mein 'Highlight' war ein Gespräch mit einer Geschäftsführerin, die mir direkt gesagt hat, wegen meines Geschlechts sei sie gezwungen, mindestens ein Jahr Probezeit zu vereinbaren. Schließlich könne man ja nie wissen, ob man schwanger wird. Dann kamen Fragen zu meinen Familienplänen. Als Frau im naturwissenschaftlichen/ technischen Bereich bin ich meist in der Minderheit. So freute ich mich, endlich mal mit einer weiblichen Führungskraft zu sprechen. Aber nach dem Gespräch war ich mehr als schockiert. (anonyme Einsendung)
Bettina wurde wegen ihres Körpergewichts bei der Arbeit diskriminiert - ihr wurde gekündigt.
Jan wird als Erzieher misstraut - weil er ein Mann ist.
Lessana ist Schwarz und musste aufgrund ihrer Hautfarbe mehrfach Rassismus erleben.
Heike erlebte bei Vorstellungsgesprächen Diskriminierung, weil sie Mutter ist.
Saliha studiert Lehramt und wird wegen ihres Kopftuchs abgelehnt.
Was ich nie wieder erleben will, ist, dass Frauen sich keine kurzen Sachen anziehen dürfen, damit die Kameraleute nicht abgelenkt werden. (anonyme Zusendung einer Journalistin)
Anna musste bei einem Mini-Job in der Gastronomie Sexismus erleben.
Patti-Saoirse durfte als Transfrau während ihrer Ausbildung nicht die Frauenumkleide nutzen - und musste sich jahrelang in einer Abstellkammer umziehen.
Toma wurde schlechter ausgebildet als ihre hörenden Mit-Azubis.
Im Vorstellungsgespräch: Wenn Sie 20 Kilogramm weniger wiegen würden, hätten Sie den Job sofort. (Jenny)
Burcu ist lichtempfindlich. Sie fordert: Arbeitgeber müssen schwerbehinderten Menschen das Arbeiten ermöglichen.
Leopold wollte als Background-Sänger offen sichtbar queer auftreten - und sollte für den Job seine Identität leugnen.
Franziska wurde wegen ihres türkischen Nachnamens mehrfach bei Bewerbungen ausgegrenzt.
Greta hat eine Absage für einen Job bekommen, weil ihr eine Hand fehlt.
Rebekka wird wegen ihres Rollstuhls bei Bewerbungen zur zweiten Wahl.
Lee lebt in einer Pflegefamilie und wird deshalb bei einem Job in der Kinderbetreuung diskriminiert.
Was ich nie wieder erleben will: dass ich mich wegen meiner Behinderung nutzlos fühle und schäme. Ich bin blind, weil ich Multiple Sklerose habe. Mich hat es während meines Promotionsstudiums erwischt. Plötzlich stand ich auf der anderen Seite. Plötzlich war ich behindert. Meine sechs Jahre Studium konnte ich in den Müll werfen. Ich wollte ins Berufsleben starten, stattdessen war ich nicht mehr leistungsfähig und das ist es doch, was in unserer Gesellschaft zählt. Wir und andere erwarten von uns Leistung und Erfolg. Und das rund um die Uhr. Der Job macht uns erst zu vollwertigen Menschen. Als ich das nicht mehr erfüllen konnte, war ich nutzlos. (Christin)
Sonja arbeitet in einem Café - und erlebt dort immer wieder Sexismus.
Esra muss immer wieder Rassismus im Beruf erleben. Jetzt sagt sie: "Ich lasse mir nichts gefallen."
Erzieherin Yvonne musste den Kindergarten wechseln, weil ihr eine Dolmetscherin für Teamsitzungen und Weiterbildungen verwehrt wurde.
Melanie hatte ein Burnout und wurde depressiv. Ihr Arbeitgeber hat sie daraufhin degradiert.
Ich bin Legastheniker und habe nur Probleme bei der Rechtschreibung. Immer wieder werde ich für dumm gehalten. Für mein Attest der LRS (Lese-Rechtschreib-Schwäche) wurde ein IQ-Test gemacht: 115 Punkte. Mein Abitur habe ich ohne Probleme gemacht. Im Beruf habe ich bei Einstellungsverfahren Probleme: Es werden Diktate geschrieben, von Computern ausgewertet - daraufhin werde ich oft aussortiert. Die Rechtschreibung wird als Indikator für Intelligenz genutzt. Das ist bei LRS-Betroffenen einfach nicht möglich. Wenn ich darauf hinweise, kommt immer wieder die Antwort: Das könne man nicht berücksichtigen, das Verfahren wäre sonst nicht objektiv. Legasthenie sieht man einem nicht an. Man muss sich auskennen, um es an Schrift und Fehlern zu erkennen. (Felix)
Sängerin und Songwriterin Freshdina wurde von ihren Kollegen herabgewürdigt. Als Frau würde sie nichts von Technik verstehen.
Marie wurde wegen ihres Geschlechts und ihrer Körpergröße in der Ausbildung benachteiligt.
Susan musste auf der Arbeit sexuelle Belästigung durch ihren Chef erfahren - ohne Konsequenzen für ihn.
Esthi hat kaum einen Job bekommen - weil sie schwerhörig ist.
Ich hatte vor einigen Wochen ein Telefonat mit meinem Chef. Er hatte mir Urlaub zugesichert, der im Dienstplan jedoch nicht berücksichtigt wurde. (...) Er lachte und sagte, ich solle ihn nicht verarschen. Ich würde mit Sicherheit nicht am Hungertuch nagen, wo ich doch jetzt einen Partner habe, der Arzt sei. (Pflegekraft Caro)
Tobias wollte einen Kurierdienst beauftragen und wurde wegen seines Nachnamens rassistisch angefeindet.
Roxi wollte Kfz-Mechatronikerin werden. Wegen ihres Geschlechts wurde sie nicht genommen.
Lea wurde bei der Arbeit wenig zugetraut, weil sie eine Frau ist.
Rana wird wegen seiner Sprache bei Meetings ausgegrenzt. Er fordert: Versucht Englisch zu sprechen und helft so anderen.
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Grundgesetz, Artikel 3, Absatz 3
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Diese Geschichten haben auch einigen von euch Mut gemacht, eure Erlebnisse mit uns zu teilen - danke für euer Vertrauen!
Mir wurde bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz bzgl. meiner Sehbehinderung am Telefon gesagt: 'Also, äh, mein Chef möchte das nicht.' Fand ich nicht so nett. Aber ich hab trotzdem viel Glück gehabt. Schnell einen Ausbildungsplatz gefunden und auch einen neuen Job nach der Lehre. (Stefan Berghoff via Facebook)
Mein Sohn erkrankte mit Fieber, ich war in der Probezeit und der Chef teilte mir mit, dass wenn ich nicht kommen würde, bräuchte ich nicht mehr wiederkommen. (...) So lässt sich Familie und Job leider nicht unter einen Hut bringen! (Nicky Intveen via Facebook)
Nach der Elternzeit zurück im Beruf. Nicht dieselben Aufgaben bekommen. Degradiert. Habe dann gekündigt. (Carolina Domingues via Instagram)
Ich habe zwei Jahre als qualifizierte Fachkraft bei einem kirchlichen Träger nichts anderes getan als abzuheften und vielleicht mal irgendwas irgendwo hinbringen. Diese Reduzierung meiner Person auf die Behinderung, jegliche Aberkennung meiner Qualifikationen, in einer Duz-Kultur wurde ich als einziger gesiezt. Ein Bufdi [Bundesfreiwilligendienstler] ohne Berufserfahrung hatte nach zwei Tagen Arbeit mehr Befugnisse, als ich. (Michael Kegelmann via Facebook)
Meine Tochter hat den Job nicht bekommen, weil sie evangelisch ist, der Job war aber in einem katholischen Haus. Ihr seid nicht die einzigen. (Ingrid Zimmermann via Facebook)
Bin w und momentan auf Ausbildungssuche, mit Vorliebe zur KFZ-Mechatronikerin. Man hört oft, es gäbe keine Damentoilette oder Umkleide. (Sara via Instagram)
Als ich mich wegen eines befristeten Vertrages beworben habe, habe ich nicht meinen Schwerbehindertenausweis angegeben, weil ich aufgrund meiner Leistung und nicht meiner Behinderung eingestellt werden wollte. Als ich das meinem aktuellen Arbeitgeber erzählt habe, sah er mich von oben bis unten an: 'Hätte ich das gewusst hätte ich dich nie eingestellt mit Behinderten hatte ich immer nur Ärger'. (Christine Annette Saygin via Facebook)
Ich als Unternehmer werde immer wieder von Kundinnen angegangen. Weil ich eine Frau beschäftige, als Helferin. Die Aussage ist immer die Gleiche: 'Wieso ich denn die arme Frau schleppen lasse. Das ist doch Männersache!' (Stefan via Facebook)
Was ich noch erleben will: dass alle Menschen respektvoll miteinander umgehen und Unterschiede gleich welcher Art akzeptieren. Und, dass im Berufsleben Qualifikation und Leistung zählen und im gesellschaftlichen Leben Inklusion, Toleranz und Teilhabe gelebt und nicht nur öffentlichkeitswirksam propagiert werden. (Ol Li via Facebook)
Weiterlesen? Hier erzählen Menschen, in ihrem Leben viel Benachteiligung erfahren haben, wie sie ihr Ziel trotzdem erreicht haben: "Diskriminierung im Job: Stolz, was wir geschafft haben"