Was wir selbst dagegen tun können
Krebs ist immer noch eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Früh erkannt, stehen die Heilungschancen besser. Welche Untersuchungen der Früherkennung gibt es? Sind sie immer sinnvoll? Und hilft ein gesunder Lebenswandel?
Von Katja Goebel (Text) und Hanna Manger, Anna Zdrahal (Grafiken)
Krebs ist in Deutschland nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache. Mehr als zwei von fünf Frauen und etwa jeder zweite Mann in Deutschland erkranken im Laufe ihres Lebens an Krebs – so die aktuellen Schätzungen des Zentrums für Krebsregisterdaten (ZfKD). Etwa 500.000 Krebsdiagnosen im Jahr zählt das ZfKD.
Menschen in Deutschland bekommen jedes Jahr eine Krebsdiagnose
Krebs kann entstehen, wenn sich Zellen unkontrolliert vermehren. Zellen erneuern sich regelmäßig durch Zellteilung. Dabei werden Erbanlagen an die neue Zelle weitergegeben, die alte stirbt ab. Teilt sich aber eine geschädigte Zelle immer weiter, kann ein Tumor entstehen. Der kann Gewebe zerstören. Breiten sich Tumorzellen aus, können sie an anderen Stellen im Körper Tochtergeschwülste bilden – so genannte Metastasen.
Ob eine Krebserkrankung entsteht und wie sie verläuft, wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören interne Risikofaktoren wie zunehmendes Alter und erbliche Veranlagung, aber auch externe Risikofaktoren - wie Rauchen, Alkoholkonsum, ungünstige Ernährung und Bewegungsmangel.
Doch: Nicht jeder, der den bekannten Risikofaktoren ausgesetzt ist, erkrankt automatisch an Krebs.
"Wir haben jetzt etwa eine Situation in Deutschland von einer halben Million Krebsneuerkrankungen pro Jahr. Diese Zahl wird weiter steigen, weil wir weiter älter werden. Gleichzeitig – und das ist positiv – ist die Zahl der Patienten, die an Krebs verstirbt, trotz dieses Anstiegs stabil geblieben. Das heißt, wir haben also mehr Erfolge in der Behandlung, aber eine Zunahme durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung", sagt der Kölner Mediziner und Krebsforscher Michael Hallek.
Vorab zur Einordnung: Der Begriff „Krebsvorsorge“ wird umgangssprachlich häufig benutzt und erweckt den Eindruck, dass eine Krebserkrankung durch diese Untersuchungen verhindert werden könnte. Dies ist natürlich nicht so. Bei den angebotenen Untersuchungen handelt es sich um eine mögliche Früherkennung.
Starben vor 20 Jahren etwa 2.600 Menschen an Hautkrebs, so waren es 2021 schon 4.100 - eine Steigerung um 55 Prozent. Das sind Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Betroffen sind vor allem ältere Menschen. Die steigende Lebenserwartung und das früher eher seltene Bewusstsein für ausreichend Sonnenschutz sind zwei Faktoren dafür.
Ab 35 kann sich jeder in Deutschland alle zwei Jahre kostenfrei auf Hautkrebs untersuchen lassen. Das Screening machen Hautärzte oder auch Hausärzte mit entsprechender Qualifizierung. Bei der Untersuchung sollte auf den ganzen Körpern geschaut werden – also auch hinter die Ohren, auf die Kopfhaut, zwischen die Zehen, auf den äußeren Genitalbereich.
Auffällige Stellen können im Labor durch eine Probe untersucht werden.
Wichtig: Das Screening allein schützt nicht vor Hautkrebs, es entdeckt ihn nur eher. Und: Ein Screening kann auch eine Belastung sein. So weist selbst die Deutsche Krebshilfe darauf hin, dass sich nur bei 4 von 100 Menschen, bei denen etwas gefunden wird, dieser Verdacht auch bestätigt. Patienten könnten also in der Zwischenzeit stark verunsichert sein. Außerdem sei es möglich, dass beim Screening ein Hautkrebs entdeckt und behandelt werde, der den Patienten im weiteren Leben gar nicht belastet hätte. Dabei spricht man von der so genannten Überdiagnose.
Tipp: Es gibt Praxen, die das Screening als Eigenleistung abrechnen – also vorher nachfragen
Außerdem: Schauen Sie sich auch regelmäßig Ihre Haut selbst an und achten Sie auf Hautveränderungen.
Fast 60.000 Frauen und Männer erhalten in Deutschland laut Bundesgesundheitsministerium jedes Jahr die Diagnose Darmkrebs. Die Tumore entstehen in fast allen Fällen im Dickdarm, erklärt das Bündnis Krebsprävention. Sie bilden sich aus gutartigen Wucherungen hervor, den sogenannten Polypen. Diese sind schmerz- und symptomfrei, Betroffene merken also nichts davon. Nicht immer entwickelt sich daraus Krebs.
Menschen in Deutschland bekommen jedes Jahr die Diagnose Darmkrebs
Durch eine Untersuchung werden Anzeichen für Darmkrebs frühzeitig erkannt und teilweise direkt behandelt. Zum Beispiel werden verdächtige Polypen entfernt. Damit sinkt das Risiko einer Darmkrebs-Erkrankung.
Ab 50 Jahre können Frauen und Männer jährlich einen kostenlosen Stuhl-Test machen. Dabei untersucht ein Labor den Kot. Ab 55 Jahren wird dieser Test alle zwei Jahre von der Krankenkasse übernommen. Ab 50 Jahren können Männer und ab 55 Jahren Frauen darüber hinaus auch kostenlos eine Darmspiegelung machen lassen. Dabei wird ein dünner, biegsamer Schlauch mit einer winzigen Kamera am Ende über den After in den Darm geführt. So lässt sich erkennen, ob sich im Darm mögliche Vorstufen von Darmkrebs (Polypen) oder Darmkrebs befinden.
Brustkrebs ist mit etwa 30 Prozent aller Krebsfälle die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Rund jede 8. Frau erkrankt in ihrem Leben an Brustkrebs, so das Deutsche Krebsforschungszentrum. Jüngere Frauen sind nur selten betroffen, erst ab dem 40. und besonders ab dem 50. Lebensjahr erhöht sich das Risiko, um ab dem 70. Lebensjahr wieder abzusinken, sagt die Deutsche Krebsgesellschaft. 69.000 Frauen erkranken jährlich an Brustkrebs - das geht aus Zahlen der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hervor. (Stand Januar 2022)
Frauen erkranken jedes Jahr an Brustkrebs.
Brustkrebs ist eine Krebserkrankung, die in der Brustdrüse entsteht. Wenn Zellen der Brustdrüse beginnen, unkontrolliert zu wachsen, entsteht ein Tumor in der Brust.
Ab dem 30. Lebensjahr übernimmt die Krankenkasse jährlich eine gynäkologische Untersuchung. Dazu gehört auch das Abtasten der Brüste und der dazugehörigen Lymphknoten. Ab dem 50. Lebensjahr erhalten Frauen alle zwei Jahre eine Einladung zu einem freiwilligen Mammographie-Screening - also einer Röntgenuntersuchung der Brust.
Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum werden von 1.000 Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, die 20 Jahre lang am Mammographie-Screening teilnehmen, etwa zwei bis sechs Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt. Die Mammographie ist nicht unumstritten. Kritiker weisen auf die Strahlenbelastung hin und auf die Gefahr „falsch positiver“ Befunde. Das heißt, es entsteht ein Krebsverdacht, der sich nach zusätzlichen Untersuchungen nicht bestätigt. Die Deutsche Krebsgesellschaft erwähnt bei Nachteilen auch die „Überdiagnose“ - also den Nachweis eines tatsächlichen Krebses, der aber so langsam wächst, dass er unbehandelt ein Leben lang nicht problematisch geworden wäre. Eine Frau könne dann die Ängste und Therapien durchmachen, die sie ohne das Screening nicht bekommen hätte.
Viele Fälle von Brustkrebs werden von den Frauen selbst entdeckt, meist ganz zufällig beim Duschen oder Eincremen oder durch das bewusste Abtasten der eigenen Brust als Krebsfrüherkennungsmaßnahme. Fachgesellschaften empfehlen Frauen deshalb, sich regelmäßig auch selbst zu untersuchen. Wie das geht, haben wir in diesem Video mal erklärt:
Bösartige Tumoren des Gebärmutterhalses entwickeln sich meist im Bereich des äußeren Muttermunds. Doch da der Muttermund für eine Untersuchung gut zugänglich ist, können Zellveränderungen bei regelmäßigen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen frühzeitig erkannt werden. Deshalb sei die Zahl der Todesfälle durch Gebärmutterhalskrebs in den letzten 30 Jahren stark zurückgegangen, berichtet die Deutsche Krebsgesellschaft.
Die gesetzliche Krankenversicherung bietet allen Frauen ab 20 Jahren regelmäßige Untersuchungen zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs an. Dazu gehören ein Pap-Abstrich (bei dem eine Zellprobe vom Muttermund entnommen und mikroskopisch auf Zellveränderungen untersucht wird) und ein Test auf bestimmte Humane Papillomviren (HPV), die als Hauptverursacher von Gebärmutterhalskrebs gelten. Frauen ab 35 können alle drei Jahre eine Kombinationsuntersuchung aus Pap-Test und HPV-Test wahrnehmen.
Prostatakrebs ist in Deutschland unter Männern die häufigste Krebserkrankung. Laut Krebsforschungszentrum erkranken rund 65.000 Männer in Deutschland jedes Jahr daran. Dabei handelt es sich um einen bösartigen Tumor der Vorsteherdrüse des Mannes. Zu Beginn verursacht Prostatakrebs laut der Deutschen Krebshilfe keine Beschwerden, sondern erst später, wenn der Tumor eine bestimmte Größe überschritten hat.
Männer erkranken jährlich an Prostatakrebs.
Die Häufigkeit von Prostatakrebs steigt mit dem Alter. Da gerade Prostatakrebs in der Regel langsam wächst und Männer oft erst im hohen Alter erkranken, sterben viele Männer nicht am Tumor, sondern mit ihrem Tumor, also an anderen Erkrankungen.
Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen Prostatakrebsfrüherkennungsuntersuchungen für Männer ab 45 Jahren. Der Arzt untersucht dabei die Prostata, die Lymphknoten in der Leiste und die äußeren Geschlechtsteile. Durch den After tastet der Arzt die Oberfläche der Prostata mit dem Finger ab.
Experten sind sich mittlerweile einig, dass ein angemessener Lebensstil das Risiko, an Krebs zu erkranken, zumindest reduzieren kann. Ein Patentrezept für ein Leben ohne Krebs gibt es allerdings nicht. Dennoch schätzt das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), dass in Deutschland mehr als jede dritte Krebsneuerkrankung auf Risikofaktoren zurückgeht, die vermeidbar oder zumindest beeinflussbar sind.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass weltweit mehr als 30 Prozent aller Krebstodesfälle verhindert werden könnten - wenn es gelänge, Risikofaktoren wie Rauchen und Alkoholkonsum, Übergewicht und Bewegungsmangel zu reduzieren, und bestimmte Infektionen - vor allem HPV, Hepatitis B und C - zurückzudrängen.
Auch die Deutsche Krebshilfe empfiehlt eine gesunde Lebensweise und hat diverse Tipps zusammengestellt: Viel bewegen, auf das Körpergewicht achten, gesund ernähren, auf Tabak verzichten, wenig Alkohol trinken, auf den UV-Schutz achten und krebserregende Stoffe meiden.
Im Umkehrschluss bedeutet das nicht, dass Krebspatienten ihre Erkrankung selbst verschuldet haben. Denn Krebs entsteht nicht nur aufgrund bekannter und somit vermeidbarer Risikofaktoren. Auch zufällige genetische Fehler bei der Zellteilung können zu Krebs führen.
Dass sich Krebspatienten häufig die Schuldfrage stellen, hat auch Professor Michael Hallek oft erlebt. Der Mediziner und Krebsforscher der Uniklinik Köln hat darauf eine eindeutige Antwort: Es gibt keine Schuld. Es sei vielmehr unser biologisches Programm, das manchmal verunglückt.
Unsere Quellen: Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKF) Deutsche Krebshilfe Deutsches Krebsforschungszentrum Deutsche Krebsgesellschaft Bündnis Krebsprävention NRW Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung
Hallek vs. Krebs: Ein Herzblut-Mediziner und die Mission seines Lebens Gespräch mit Krebsforscher Prof. Dr. Michael Hallek WDR-Quarks: Warum die Entstehung von Krebs manchmal einfach Zufall ist Wer sich mit Kindern dem Thema Krebs nähern will, findet in der ARD-Reihe Checker Tobi die Folge "Der Krebs-Check".