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Der Aufbruch

Opel in Bochum - das war einmal die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Ein sicherer Job, ein gutes Einkommen und ein angesehener Konzern. Übrig geblieben ist davon nicht mehr viel. Was in diesen Tagen mit der Produktion des letzten Autos und der Schließung des Werks sein trauriges Ende findet, sorgte vor über 50 Jahren für Aufbruchsstimmung im gesamten Ruhrgebiet.
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"Eines der modernsten Automobilwerke der Welt"

Die Opel-Ansiedlung in Bochum war Anfang der 1960er ein großes Thema. Auch im WDR-Fernsehen wurde darüber berichtet, wie hier anlässlich des Richtfestes in der Sendung "Hier und Heute" am 12. April 1962.

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Durch die Kohlenkrise Ende der 1950er Jahre müssen die Verantwortlichen in Bochum schnell handeln: Gleich mehrere Zechen sollen schließen, Zehntausenden Kumpeln droht die Arbeitslosigkeit.

Wie ein Glücksfall erscheint da der Plan der Adam Opel AG, ein riesiges Werk auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Dannenbaum hochzuziehen. Kostenpunkt: mehr als eine Milliarde D-Mark.

Am 10. Oktober 1962 eröffnet das Werk und viele Bergbauleute finden einen neuen Job. Die Opel-Ansiedlung macht den Menschen in der Region Hoffnung - auf sichere Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung.
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"Opel ist die Modernisierung der Region"

Neben der wirtschaftlichen Bedeutung hatte Opel auch einen sozialen Effekt, erklärt Dr. Manfred Wannöffel, Industriesoziologe von der Ruhruniversität Bochum.

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Schnell gilt das Projekt als erfolgreiche Krisenregulierung - ein Paradebeispiel für einen gelungenen Strukturwandel im Ruhrgebiet. Zu Beginn arbeiten rund 10.000 Menschen in dem Werk. Jeder Vierte schuftete zuvor unter Tage. Produziert wird der legendäre Opel Kadett. Der Verkauf in Deutschland und dem Ausland läuft so gut, dass die Produktion rasch angekurbelt wird. Damit steigen auch die Beschäftigtenzahlen. In Hochzeiten sind es mehr als 20.000 Menschen, die bei Opel in Bochum Arbeit finden. Neben dem Kadett werden hier später auch der Mittelklassewagen Olympia, der Ascona und der legendäre Manta hergestellt. Goldene Zeiten, Erfolgsmeldungen wie am Fließband.
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"Ein bedeutender Akt"

Der Jubel ist groß, als der zweimillionste Kadett vom Band läuft. In der WDR-Sendung "Hierzulande" (16. Juni 1969) wird die erfolgreiche Strukturpolitik gelobt.

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Die Arbeit im Werk gilt als hart. Stundenlang müssen die Männer und Frauen am Fließband stehen und im Akkord Autos zusammenbauen. Für die früheren Kohlekumpel unter den Opelanern ist es aber ein Aufstieg. Die Arbeit ist sauberer als unter Tage, und es gibt Tageslicht.

Mittlerweile sind viele Schritte in der Produktion automatisiert. Wo früher Handarbeit nötig war, kommt heute Technik zum Einsatz.
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Auch das gehört zu Opel in Bochum dazu: Streiks. Aus den Zeiten des Bergbaus wird die starke Organisation der Arbeitnehmer übernommen. Schon 1970 gibt es den ersten Aufstand. Drei Jahre später legen die Opelaner ganze vier Wochen lang die Arbeit nieder, um für Lohnerhöhungen als Inflationsausgleich zu kämpfen. Besonders viel gestreikt wird in den Neunzigern: 1990, 1994, 1995, 1996, 1997, 1998 und 1999  sind Jahre mit Arbeitskämpfen - mal für volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, mal für Sonderprämien.

Für die ausgeprägte Streikbereitschaft gibt es sogar einen eigenen Begriff: der "Bochumer Geist". 2004 wird der auf eine harte Probe gestellt, da zum ersten Mal eine Werksschließung im Raum steht. Noch kann das Schreckensszenario aber verhindert werden.
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Der etwas andere Arbeitgeber

"Opel ist Bochum und Bochum ist Opel." So beschrieb Sänger Herbert Grönemeyer einst das Verhältnis seiner Heimatstadt zum Autobauer. Und in der Tat: Eine so enge Verbindung der Menschen zu ihrem Job gibt es heutzutage nur noch selten. Die Bochumer sind stolz darauf, Teil der großen Opel-Familie zu sein.

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Eines dieser Familienmitglieder ist Günther Bärwolf. Er arbeitet seit 26 Jahren bei Opel. Eigentlich ist die gesamte Familie Opel. Der Vater, ein ehemaliger Bergarbeiter, arbeitete von 1963 an in dem Werk und gehörte zur "Gummistiefel-Generation". Anfangs mussten die Opelaner alle Gummistiefel tragen, da sie sonst wegen der vielen Baustellen auf dem Gelände nicht trockenen Fußes zur Arbeit kamen. Und auch der Bruder ist Opelaner - früher in Bochum, mittlerweile in Rüsselsheim. Es ist eine dieser Familiengeschichten, die es im Ruhrgebiet immer wieder gibt. Für Günther Bärwolf ist Opel mehr als nur ein Arbeitgeber.
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"Opel gehörte mit zur Familie"

Der langjährige Opel-Mitarbeiter Günther Bärwolf erzählt von seiner engen Beziehung zu dem Autobauer.

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Seit 1988 fährt Günther Bärwolf Tag für Tag zum Werk. Dort parkt er dann seinen Opel-Calibra - zwei Liter Hubraum, 115 PS und am Innenspiegel ein Wimpel von Schalke 04. Seinen Job als Radio- und TV-Elektriker gab er damals zugunsten der Arbeit am Fließband auf - das Gehalt war deutlich höher. Nach fünf Generationen im Bergbau ging in der Familie eine Tradition zu Ende. Doch es schien so, als würde der Grundstein für eine neue Tradition gelegt. Autos statt Kohle lautete die Zukunft. Die Anstellung im Werk galt als sicher. Wer seine Arbeit gut mache - so lautete der Rat von Kollegen - habe einen sicheren Job bis ins Rentenalter.
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Mittlerweile ist klar, dass es so nicht kommen wird. Günther Bärwolf ist jetzt 50 Jahre alt und wieder auf Jobsuche. Was nach Opel kommt, weiß er nicht. "In meinen alten Beruf zurück kann ich auf jeden Fall nicht mehr", sagt er. Eine Umschulung in Richtung IT-Branche könne er sich vorstellen - wenn das in dem Alter noch möglich sei. Zunächst wechselt er aber so wie 2.700 Kollegen auch in eine Transfergesellschaft.

Die tägliche Fahrt zum Werk fällt demnächst weg, aber die Leidenschaft zu Opel bleibt. Zu Hause in der Garage steht ein Kapitän, Baujahr 1964. Den Oldtimer will Bärwolf auch in Zukunft pflegen. "Die Autos können ja nichts dafür", sagt er.
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"Auf ein Leben draußen einrichten"

Dem Ende von Opel blickt Günther Bärwolf mit gemischten Gefühlen entgegen.

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Der Abschied

Es war ein Abschied auf Raten: Spätestens seit 2004, als Opel die Motorenproduktion in Bochum beendete, begann der Überlebenskampf. 2009 entging Opel nur um ein Haar der Insolvenz. Erst hieß es, Opel würde 2016 Bochum verlassen - doch im April 2013 entschied der Aufsichtsrat, dass schon jetzt, im Dezember 2014, der letzte Opel in Bochum vom Band rollen soll. In der Stadt nimmt man mit gemischten Gefühlen Abschied.
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"Ich kann es irgendwie nicht mehr hören"

Dass das Opelwerk nun verschwindet, wird von den Bochumern mit gemischten Gefühlen begleitet. Manche scheinen fast schon erleichtert.

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Ganz verlässt Opel Bochum nicht: Das Warenverteilzentrum, in dem schon jetzt 430 Menschen arbeiten, soll bis 2016 sogar noch einmal erweitert werden: 60 Millionen Euro will Opel in den Umbau stecken, dazu ein 95.000 Quadratmeter großes Anbaugebäude bauen.700 Mitarbeiter sollen dort in Zukunft beschäftigt sein.
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Wer durch die Bochumer Innenstadt spaziert, der erlebt fröhliche Menschen beim Einkaufen - wie in jeder anderen Innenstadt auch. Von der "gebeutelten Stadt", als die Bochum häufig beschrieben wird, ist hier nichts zu spüren.
Rund 360.000 Menschen leben in Bochum, Tendenz fallend: Für 2025 rechnet die Stadt noch mit 345.000 Einwohnern. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 10,4 Prozent über dem Landesdurchschnitt. Dennoch: Vom Niedergang der Stadt will hier niemand sprechen - lieber von neuen Perspektiven. Für die ist hier Rolf Heyer zuständig, Geschäftsführer der Perspektive Bochum 2022.




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"Ein Großteil ist bis 2022 aufbereitet"

Prof. Rolf Heyer, Geschäftsführer Bochum Perspektive 2022, kümmert sich um die Zukunft des Opel-Werkgeländes.

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Als "Lichtblick" feierten viele die Nachricht aus dem Frühjahr 2014: Der Paketdienst DHL wird bis 2016 eins seiner größten und modernsten Verteil-Zentren auf dem Gelände des Opel-Werks bauen. Auf 150.000 Quadratmetern sollen pro Stunde 50.000 Pakete über die Fließbänder fahren - und Arbeit für rund 600 Mitarbeiter schaffen.
Das Manko: die meisten der Jobs liegen im Niedriglohnbereich - selbst mit allen möglichen Zulagen kann ein Paketzusteller nicht mehr als 12,70 Euro pro Stunde verdienen. Ein Opelaner bekam bislang mindestens 20 Euro pro Stunde.
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Ginge es nach den Bochumer Stadtplanern, dann gehört das Image von Zechen und Industrie bald nur noch zur Vergangenheit der Stadt. Stattdessen setzen sie auf junge Menschen und ihre Köpfe: 40.000 Studenten hat die Ruhruniversität Bochum schon heute - auch sie ist ein großer Arbeitgeber in der Stadt: Rund 5.600 Mitarbeiter sind am Campus angestellt - zur Hälfte wissenschaftliches, zur Hälfte nichtwissenschaftliches Personal. Auch auf dem ehemaligen Opelgelände will die Uni sich ansiedeln.
Ob auch hier für einige Opelmitarbeiter neue Jobs zu finden sind? Rolf Heyer glaubt daran.
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"Bochum wird zur Wissensstadt"

Prof. Rolf Heyer hofft, dass man Bochum in Zukunft mit anderen Attributen verbindet.

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Die Zukunft

Nicht alle sind so optimistisch wie der Stadtplaner Rolf Heyer. Kritiker fürchten, dass auch in den  Zuliefererbetrieben und im Einzelhandel rund um das Werk in Zukunft Arbeitsplätze verloren gehen. Die kann man nicht alle an der Uni wieder aufbauen.
Die Betriebsratsmitglieder Rainer Weinmann und Annegret Gärtner blicken deshalb mit Sorge in die Zukunft:
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"Das ist ganz großes Theater"

Annegret Gärtner und Rainer Weinmann arbeiten seit vielen Jahren bei Opel, sind dort im Betriebsrat aktiv. Sie glauben nicht an die Versprechungen der Stadtplaner.

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Auch Detroit, der Stammsitz von Opelmutter General Motors, war einmal prägend für die Autoindustrie. Was mit einem großen Aufbruch begann, endete jäh: Heute ist die Stadt völlig pleite. Die einstige Millionen-Metropole könnte als Kulisse für einen Endzeit-Film dienen: kaputte Häuser, ausgestorbene Straßen - eine verlassene Stadt. Rund 35 Prozent des Stadtgebiets gelten mittlerweile als unbewohnbar.
Dabei gab es viele Versuche, die Stadt zu retten: Hightech-Industrie sollte angesiedelt werden, städtische Brachflächen zu Äckern umgebaut werden. Doch die Versuche schlugen fehl - Detroit gilt bis heute als Symbol für den Untergang einer Stadt nach dem Wegzug des wichtigsten Arbeitgebers.
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"This is not Detroit - das ist nicht Detroit": Mit diesem Leitspruch taten sich Anfang 2014 Künstler des Schauspielhauses und "Urbane Künstler Ruhr" zusammen, um Bochum mit einem großen Mitmach-Festival neue Perspektiven aufzuzeigen. Entstanden sind Installationen, Theaterstücke und Filme - viele davon handeln von Opel, und davon was bleibt, wenn "ein Werk verschwindet."
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"Ein Werk verschwindet"

Der Kurzfilm von Hannah Hofmann und Sven Lindholm zeigt das Verschwinden des Bochumer Opelwerks als eine Art Zaubertrick, bei dem die Zuschauer gebannt verfolgen, wie Werk, Menschen und Anlagen sich scheinbar einfach in Luft auflösen.

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"Opel bleibt ein Mythos"

Für die Kuratoren Sabine Reich, Olaf Kröck und Katja Aßmann, "Detroit Projekt", ist Opel eine Hoffnung für die Stadt gewesen, die sich nicht erfüllt hat.

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Bochum ohne Opel. Was die Filmemacher des Detroit-Projekts noch als Zauberei beschreiben, wird bald zur Wirklichkeit werden: Ein Werk verschwindet. Zumindest als großer Arbeitgeber in der Stadt. Nicht aber im Stadtbild: Das tausendfach fotografierte Bochumer Opel-Verwaltungsgebäude am Werk I mit dem gewaltigen Opel-Schriftzug auf dem Dach ist vor Kurzem unter Denkmalschutz gestellt worden.
Das immerhin wird bleiben.
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