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Los geht's

Tödliche Medikamente

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Gefahr auf Rezept

Eine Multimedia-Reportage von
Dirk Gilson
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Dr. Stanley ist ein erfahrener Arzt. Seine Patienten vertrauen ihm. Doch mit jedem Medikament, das er verschreibt, könnte er sie zu Opfern machen.  
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Dr. Oben Stanley, Arzt

Hier in Afrika, insbesondere in Kamerun, sind gefälschte Medikamente sehr verbreitet. Diese Medikamente können unsere Patienten krank machen oder sogar töten.

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Die Forscher

Laut der Weltgesundheitsorganisation ist in Entwicklungsländern im Schnitt jedes zehnte Arzneimittel minderwertig oder gefälscht. Wo staatliche Kontrollsysteme versagen, florieren die Schwarzmärkte. Es ist ein lohnendes Geschäft: Die WHO schätzt, dass die weltweiten Ausgaben für diese Mittel bei mindestens 25 Milliarden Euro pro Jahr liegen. Für die Patienten ist es ein Geschäft mit dem Tod. Laut einer aktuellen Studie der Organisation sterben jedes Jahr mehr als 140.000 Menschen wegen gefälschter oder minderwertiger Medikamente.  
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Das westafrikanische Land Kamerun gilt als Hotspot für minderwertige und gefälschte Medikamente. Bislang mangelt es aber an verlässlichen Daten darüber, wie groß das Problem hier tatsächlich ist und wo die Qualität am schlechtesten ist.
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Simon Schäfermann und Fidelis Nyaah wollen das mit einer der detailliertesten Studien, die es hier bislang dazu gibt, ändern.
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Sie sammeln und prüfen Medikamente in sechs Regionen des Landes. Dabei unterscheiden sie zwischen zugelassenen Apotheken und Schwarzmärkten.
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Dr. Fidelis Nyaah, Apotheker, PCC Kamerun

Die Studie wird etwas bewegen. Ich bete dafür, dass sie unsere Behörden dazu bringen wird, den Umgang mit Medikamenten im Land zu verändern. Damit unsere Patienten besser geschützt werden vor mangelhaften Medikamenten.

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Auf dem Schwarzmarkt

Einer der Studienorte: Die Apotheke des kirchlichen Krankenhauses in Limbe, eine Stadt im Südwesten Kameruns. An jeder Station kaufen die Forscher jeweils zwölf unterschiedliche Medikamente: Fünf Herzkreislaufmittel und sieben Antibiotika. Alle verschreibungspflichtig. Antibiotika gehören zu den meistverkauften Medikamenten. Sie zu fälschen ist daher besonders lukrativ. Aber sie stehen auch noch aus einem anderen Grund im Fokus der Forscher.
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Simon Schäfermann, Apotheker, Uni Tübingen

Doppelte Gefahr: Mangelhafte Therapie und Förderung von Resistenzen.

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Die Forscher wollen nicht nur in zugelassenen Apotheken sammeln, sondern auch auf Straßenmärkten. Der Verkauf dort ist in Kamerun illegal. Dennoch sind sie weit verbreitet.
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Mal sind die Verkaufsstände ganz offen am Straßenrand, wie hier, mal getarnt als Kosmetikshop. Die Medikamente sind meist günstiger als in zugelassenen Apotheken. Für die ärmere Bevölkerung sind sie daher häufig die einzige Möglichkeit, überhaupt an Arzneimittel zu kommen. Organisiert wird der Handel von kriminellen Banden.
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Dr. Fidelis Nyaah, Apotheker, PCC Kamerun

Das ist ein sehr sehr starkes Netzwerk, vielleicht vergleichbar mit der mexikanischen Drogenmafia.

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Filmen können wir nur verdeckt. Njeba und Manyi geben sich gleich als Kunden aus.
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Der Shop liegt direkt an der Hauptstraße. Die Betreiber fühlen sich offenbar sicher. Njeba und Manyi geben vor, selbst einen kleinen Straßenladen zu haben. So erklären sie, warum sie gleich zwölf unterschiedliche Medikamente kaufen wollen. Der Besitzer stellt keine Fragen, sondern verkauft bereitwillig. Der Shop wirkt chaotisch, ist aber bestens ausgestattet. Tatsächlich sind alle Medikamente vorrätig.
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Simon Schäfermann, Apotheker, Uni Tübingen

Die Lagerbedingungen sind schlecht.

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Auf sechs Schwarzmärkten und in 18 zugelassenen Apotheken sammeln die Forscher insgesamt knapp 300 Medikamente.      
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Die Analyse

Analysiert werden sie in Tübingen. Wie viel Prozent Wirkstoff enthält die Tablette? Wenn Wirkstoff drin ist, wird er im Körper freigesetzt?  Lagern Tabletten falsch oder zu lange oder werden unprofessionell produziert, lösen sie sich im Körper häufig nicht richtig.
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Simon Schäfermann, Apotheker, Uni Tübingen

100 Prozent Wirkstoff, aber nur 12 Prozent werden im Körper frei.

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Ist die Qualität wegen falscher oder zu langer Lagerung so schlecht? Oder steckt Absicht dahinter, um das Medikament kostengünstiger herstellen zu können? Darüber kann der Forscher nur spekulieren.
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Simon Schäfermann, Apotheker, Uni Tübingen

Da kann man schon fast von ausgehen, dass die absichtlich so hergestellt wurden.

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Offiziell darf in solchen Fällen aber keine Absicht unterstellt werden. Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation sind diese Medikamente minderwertig, nicht (absichtlich) gefälscht. Nur wenn gar kein oder ein falscher Wirkstoff enthalten ist, darf kriminelle Absicht unterstellt werden. Auch solche Fälle entdecken die Forscher.  
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Simon Schäfermann, Apotheker, Uni Tübingen

Auffälliger Schreibfehler auf der Verpackung.

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Tatsächlich zeigt die Analyse, dass nicht nur die Verpackung schlecht ist: Die Tabletten enthalten kein Penicillin. Sie sind also gefälscht. Die weitere Püfung zeigt, dass sie stattdessen das Schmerzmittel Paracetamol enthalten.
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Simon Schäfermann, Apotheker, Uni Tübingen

Er merkt auch erstmal gar nicht, dass er mit dem Medikament betrogen worden ist.

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Das Penicillin bleibt nicht die einzige Fälschung, die die Forscher entdecken. Und im Falle dieses Medikaments, ebenfalls ein Antibiotikum mit dem Wirkstoff Amoxycillin, waren offenbar Profis am Werk. Die Verpackung ist makellos. Die Blister sind sogar extra eingeschweißt in Alufolie, wie es für den Verkauf in Afrika empfohlen wird als Schutz vor Staub und Hitze. Auch die Konsistenz der Tabletten selbst ist in Ordnung. Nichts deutet darauf hin, dass sie gefälscht sein könnten. Doch die Analyse zeigt: Sie enthalten keinen Wirkstoff. In diesem Fall gibt es auch keinen Ersatzwirkstoff.
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Die Forscher melden beide Fälschungen an die Weltgesundheitsorganisation. Beide Antibiotika stehen auf der WHO-Liste der essentiellen Medikamente. Die WHO reagiert sofort und veröffentlicht eine weltweite Warnung. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die beiden Fälschungen in großer Stückzahl hergestellt und weit verbreitet wurden, nicht nur in Kamerun. Gleichzeitig kooperiert die WHO mit Interpol und setzt die Suche nach den Urhebern in Gang.
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Alarmierendes Zwischenergebnis

Es dauert noch einige Monate, bis alle Medikamente in Tübingen analysiert sind. Doch das Zwischenergebnis ist alarmierend: Von den untersuchten Medikamenten von Schwarzmärkten sind knapp 35 Prozent minderwertig. Drei Prozent davon sogar ganz ohne Wirkstoff, also gefälscht. In zugelassenen Apotheken haben die Wissenschaftler bislang keine Fälschung gefunden. Aber auch hier sind mehr als 30 Prozent minderwertig. Dreimal mehr als der Schnitt, den die WHO für Entwicklungsländer angibt. Vor allem Antibiotika sind betroffen.
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Simon Schäfermann, Apotheker, Uni Tübingen

Wir werden die Ergebnisse natürlich in vollem Umfang mit den Behörden teilen.

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Dr. Fidelis Nyaah, Apotheker, PCC Kamerun

Diese Studie liefert uns die Fakten, um strengere Gesetze einfordern zu können.

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Gesetze, die das Gesundheitssystem des Landes stärken sollen – und so die Menschen vor minderwertigen und gefälschten Medikamenten schützen.  

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