Einleitung
Das System WeltbankVertreibung auf Kredit
Der Fall Honduras
"Ungerechtigkeit konnte er nicht ertragen"
Die 31-jährige Glenda Chavez erzählt von ihrem Vater und schildert die mysteriösen Umstände, unter denen er ums Leben gekommen ist.
HondurasGlenda Chavez
Ihr Haus grenzt an das Farmland des Palmölgiganten Dinant, der seine Geschäfte mit einem Weltbankkredit ausweiten konnte. Dinant gilt als einer der größten Profiteure im honduranischen Landkonflikt. Glenda Chavez sagt, Dinant habe sich das Land unrechtmäßig angeeignet.
Der Verdacht
Der Verdacht
Die Fakten
Die Leiche wurde auf einer Plantage von Dinant gefunden. Jahrelang hatte der katholische Laienpriester Chavez in seinen Predigten gegen Dinant und seinen Geschäftsführer gewettert. Die örtlichen Polizeibehörden wollten nach seinem Verschwinden zunächst nicht aktiv werden, sagt Glenda Chavez. Erst auf Druck der Polizei aus einem Nachbarort sei auf dem Dinant-Gelände gesucht worden. Das Unternehmen habe das zuvor intensiv zu verhindern versucht.
Dinant erklärt, man habe nichts mit dem Tod von Gregorio Chavez zu tun und mit ihm auch nie Probleme gehabt.
Die Bewegung
Seit dem Tod ihres Vaters versucht Glenda Chavez alle Vorfälle zu dokumentieren, trifft sich mit anderen Aktivisten, Rechtsanwälten und Bauern der Gegend. Sie ist Teil einer Bewegung geworden, die sich nach ihrem getöteten Vater benannt hat: Movimiento Gregorio Chavez.
HondurasVitalino Alvarez
Schon seit Jahren kämpft Vitalino Alvarez für eigenes Land. Vor Gericht sind er und seine Bauernbewegung gescheitert. Mit Hilfe eines Kredits konnten sie aber einige Hektar Land kaufen und darauf die Kooperative aufbauen. Sie ist sein ganzer Stolz, auch wenn sie bislang wenig einbringt und die Raten für den Kredit das meiste auffressen. Für seinen Einsatz hat Vitalino Alvarez einen hohen Preis bezahlt.
Landkonflikt in HondurasDie Akteure
Vitalino Alvarez und Glenda Chavez leben in einem der ärmsten Länder Lateinamerikas mit einer der höchsten Kriminalitätsraten weltweit. Seit Jahren stehen sich hier Kleinbauern und Großkonzerne in einem blutigen Landkonflikt gegenüber.
Der Streit um Landrechte eskaliert 2009 nach einem Staatsstreich und einem Millionenkredit der Weltbank an Dinant. Die honduranische Ficohsa Bank ist einer der wichtigsten Kreditgeber Dinants und selbst ein Kreditnehmer der Weltbank. Auch die deutsche Entwicklungsbank DEG finanziert Ficohsa. Die Bundesregierung sieht darin aber kein Problem, sondern wertet das Engagement der Bank als "von großer regionaler Bedeutung".
Die VorgeschichteLandverlust der Kleinbauern
In den 90ern stellte sie der Regierung in Honduras Kredite zur Verfügung, mit denen unter anderem eine weitreichende Strukturreform finanziert wurde. Die führte zur Privatisierung von Land, das vorher Bauernkooperativen gehörte. Nichtregierungs-Organisationen schätzen: Ungefähr 75 Prozent des Landes von Kleinbauern gingen an Großgrundbesitzer über, zu großen Teilen an das Palmölunternehmen Dinant.
Ethikrichtlinien der WeltbankProfit sticht Standards
Eigentlich hat die Weltbank hohe Standards für ihre Kreditvergabe. An ihnen orientieren sich Unternehmen und Regierungen weltweit.
Das globale Ausmaß
Das System Globales Ausmaß der Missstände
Das System Globales Ausmaß der Missstände
Die Vorwürfe im Einzelnen
Durch Entwicklungsprojekte der Weltbank sind in den vergangenen zehn Jahren etwa 3,4 Millionen Menschen weltweit umgesiedelt worden oder haben teilweise ihre Lebensgrundlage verloren. Viele der Betroffenen wurden Opfer gewaltsamer Vertreibungen und anderer Menschenrechtsverletzungen.
Diese Zahl basiert auf einer Analyse des ICIJ (Internationales Konsortium Investigativer Journalisten) in Zusammenarbeit mit WDR, NDR und SZ. In monatelanger Arbeit haben die Rechercheure über 6600 Dokumente der Weltbank zu 972 Projekten zwischen 2004 und 2013 ausgewertet.
Die tatsächliche Zahl könnte noch weitaus höher liegen. Denn für einen Großteil der Projekte, bei denen Umsiedlung oder Vertreibung denkbar wäre, hat die Weltbank überhaupt keine Zahlen ermittelt.
Dimensionen der Vertreibung
Mehr als zehn Projekte hat das Journalistenteam des ICIJ vor Ort recherchiert. Drei davon sollen nun einen Einblick geben in mögliche Konsequenzen von Weltbankkrediten.
Weltbankprojekt in ÄthiopienGeld für Vertreibung?
Tausende Anuak flohen aus dem Land. Viele von ihnen leben heute in einem Flüchtlingslager im Südsudan. Die in Äthiopien Verbliebenen wohnen in Dörfern, die die Regierung bauen ließ. Dort können sie jedoch kaum noch etwas anbauen und müssen größtenteils ohne die versprochene Grundversorgung auskommen.
ÄthiopienDeutsche Beteiligung
Nach Recherchen des ICIJ zweckentfremdete die äthiopische Regierung einen Teil dieses Geldes und des damit finanzierten Personals für ihr Umsiedlungsprojekt. Bislang bestritt die Weltbank eine Verbindung zwischen den beiden Projekten, so auch die Bundesregeirung, die keine Mitverantwortung für Vertreibungen sieht. Dennoch zog sich die staatliche KfW 2011 aus der Finanzierung des PBS-Programms zurück und zahlte einen Kredit nicht vollständig aus. Ein interner Bericht der Weltbank stellte Anfang 2015 eine "operative Verbindung" zwischen beiden Programmen fest.
Weltbank-Projekt im Kosovo Das neue Kraftwerk
Weltbank-Projekt im Kosovo Das neue Kraftwerk
Klima- und Gesundheitskiller
Das Kraftwerk Kosovo A wurde in den Sechzigerjahren gebaut. Die Weltbank bezeichnet es als "die größte punktuelle Quelle für Umweltverschmutzung in Europa" und plant, stattdessen ein neues Braunkohlekraftwerk zu bauen, das EU-Standards entspricht. Ein heheres Ziel, doch würde die Weltbank damit nicht ihren eigenen Umweltstandards zuwiderhandeln?
Nein, sagt sie selbst. Doch Kritiker werfen ihr vor, die Energiezukunft des Landes auf Generationen hin auf den Klimakiller CO2 festzulegen. Die Menschen leben also weiter unter einer Glocke aus Kohlestaub. Ihre Lebenserwartung liegt zehn Jahre unter der des europäischen Durchschnitts.
Gebrochenes Versprechen
Ganze Dörfer wurden bereits weggeschaufelt. Mit dem neuen Kohlekraftwerk ginge der Abbau weiter. Viele Umgesiedelte fühlen sich verraten: Versprochen wurde ihnen ein Dorf mit kompletter Infrastruktur, bekommen haben sie Häuser in einem Geröllfeld ohne Strom- und Wasseranschlüsse.
Weltbank-Projekt in Indien Tata Mundra Tausende Fischer betroffen
Weltbank-Projekt in Indien Tata Mundra Tausende Fischer betroffen
"Marginale Verdrängungseffekte"
Für die Fischer von Tragadi Bandar veränderte das alles. Jedes Jahr im Sommer kommen sie für etwa acht Monate hierher: rund 10.000 Menschen, die sonst im Hinterland wohnen. Mit der Fischerei verdienen sie ihren Lebensunterhalt.
Die indische Regierung nennt die Auswirkungen für die Fischerei "gering und folgenlos" und spricht von "marginalen Verdrängungseffekten". Doch die Küstenfischer müssen nun viel weiter aufs Meer hinaus, die Erträge sind drastisch zurückgegangen. Ihre Vermutung: Die warmen Abwässer haben die Fische vertrieben.
"Ernste soziale und Umweltauswirkungen"
Bereits 2011 wandte sich eine Vereinigung für die Rechte der Fischer mit einer Beschwerde an den Ombudsmann der IFC. Außerdem berief sie eine unabhängige Untersuchungskommission ein, die 2012 "ernste soziale und Umweltauswirkungen" feststellt. Die Betroffenen seien im Vorfeld nur unzureichend gehört worden.
Tata Mundra - die FolgenVerschlechterung für Mensch und Umwelt
"Do no harm", heißt das Grundprinzip der Weltbank. Niemandem soll es durch Entwicklungsprojekte schlechter gehen. Das indische Großprojekt jedoch hat das Leben vieler Menschen offenbar massiv beeinträchtigt. Die Weltbank hat ihr Versprechen gebrochen.
Reaktionen und Analyse
Die Sorgen der Weltbank Das öffentliche Eingeständnis
Konfrontiert mit den Rechercheergebnissen des internationalen Journalistenteams räumte Weltbank-Präsident Kim Anfang März schwere Fehler bei der Umsiedlung von Menschen im Rahmen ihrer Entwicklungsprojekte ein und kündigte Reformen an.
"Was wir fanden, erfüllt mich mit großer Sorge"
Die deutsche Übersetzung des Statements vom Chef der Weltbank Jim Yong Kim am 04.03.2015 in Washington.
Widersprüchliche SignaleEinsicht oder "Weiter so"?
"Projekte, die Enteignung von Land beinhalten, haben Möglichkeiten geschaffen, die Lebensgrundlage und die Lebensstandards von Menschen bedeutend zu verbessern. Durch sorgfältige Projektplanung und einwandfreie Umsetzung haben die Aneignung von Land und Zwangsumsiedlungen dazu geführt, dass sich das Leben von Menschen bedeutend verbessert hat. Wir halten es weiterhin für notwendig, Infrastrukturprojekte zu finanzieren, auch solche, die Enteignung von Land und Zwangsumsiedlung nach sich ziehen.“
Menschenrechtsexperten von Human Rights Watch oder der deutschen Organisation Urgewald halten das Reformversprechen der Bank ohnehin größenteils für leere Rhetorik. Sie fordern ein generelles Umdenken.
Gute Regeln - schlechte Umsetzung
Knud Vöcking von der deutschen Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald sieht in der Weltbank ein systemisches Problem.
Die Rolle Deutschlands
Die Rolle Deutschlands
Deutschland und die Weltbank
Deutschland ist viertgrößter Geldgeber der Weltbank und stellt einen der 25 Exekutivdirektoren. Diese entscheiden gemeinsam über die Genehmigung jedes einzelnen Projekts, die Standards der Weltbank und ihre grundsätzliche Ausrichtung. Außerdem geben die staatliche KfW-Förderbank und deren Tochter DEG umfangreiche Kredite für Projekte der Weltbank. Die KfW hat sich von 2003 bis 2014 mit 1,85 Milliarden Euro an Projekten der Weltbank beteiligt, die DEG stellte 2009-2014 Finanzierungen in Höhe von 733 Millionen Dollars für Projekte der Weltbank-Tochter IFC.
Kritik wird eher informell geäußert
Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bemängelt, die Bundesregierung setzte sich zwar sonst für Menschenrechte ein, richte ihre Entscheidungen in der Weltbank aber oft nicht danach aus. Seit Ende 2013 stimmte Deutschland laut Bundesentwicklungsministerium lediglich gegen ein Projekt im Exekutivdirektorium der Weltbank, das jährlich über etwa 600 Projekte entscheidet. Das Ministerium erklärte, es spreche Kritik in der Weltbank "im Wesentlichen in Vorgesprächen und bei informellen Beratungen" an.
Fazit
Land in Sicht?Ein Mediator soll schlichten
Vor einem Jahr hat die Weltbank den zweiten Teil ihres Kredits eingefroren und einen Mediationsprozess eingeleitet - bisher noch ohne konkrete Ergebnisse.
Glenda Chavez und Vitalino Alvarez versprechen sich nicht viel davon. Sie hoffen - trotz ihrer schlechten Erfahrungen - auf den Staat und darauf, dass ihnen der Mut nicht ausgeht. In eine Lösung oder Entschädigung durch die Weltbank wollen sie ihre Hoffnungen eher nicht setzen.
Das System WeltbankWeitere Informationen
Hier finden Sie weitere Beiträge zum Thema:
WDR: Weltbank in der Kritik
Vertreibung, Verfolgung, Verschwörung - die Recherchen des ICIJ belegen Missstände bei der Weltbank. Für weitere Informationen dazu bitte klicken ...
Weltbank-Recherchen des ICIJ
Alle Informationen rund um die Weltbank-Recherchen des Internationalen Konsortiums Investigativer Journalisten (ICIJ).
Süddeutsche Zeitung
Alle Beiträge der SZ zu den Weltbank-Recherchen.
Credits
Elisabeth Weydt, Thomas Kramer, Tobias Baum
Redaktion:
Christoph Heinzle (NDR)
Monika Wagener, Jürgen Döschner, Michael Kaes (WDR)
ICIJ:
Sasha Chavkin, Cécile Schilis-Gallego, Mike Hudson
Graphiken:
Jan Lütkestratkötter (WDR)
Inhaltlicher Support:
Wolfgang Jaschensky, Karin Steinberger (SZ)
Barry Yeoman (freier Journalist)
Héctor Gómez (Kamera)
Dank für weiteres Material:
ALBA SUD und Rel-UITA in Zusammenarbeit
mit FIAN International.