Moderne Lohnsklaven
Moderne LohnsklavenWie Unternehmen vor unserer Haustür Arbeitskräfte ausbeuten und den Mindestlohn umgehen.
Sauberkeit im Akkord
Putzen im Akkord
Das war, bevor ihre Chefs begannen den Lohn zu drücken und das Arbeitspensum zu erhöhen. Bevor sie erkannte, wie perfide die Unwissenheit ihrer vorwiegend ausländischen "Mädels" ausgenutzt wird. Bevor sie den Mund aufmachte und sich an eine Gewerkschaft wandte. Und: bevor sie ihren Job verlor.
Eine Freundin brachte sie auf die Idee, nach Deutschland zu gehen. Sie heuerte bei einem Reinigungsunternehmen an, das sie ins Motel One Bellevue in Berlin schickte.
Doch ihrem Traum hat sie das kaum näher gebracht. Im Gegenteil.
Agnieszka Majcherkiewicz - Reinigungskraft
Ausschnitt aus "die story" vom 19.05.14
Damian Warias von der Gewerkschaft IG BAU
Auf dem Bau
Auf dem Bau
Die bulgarischen Trockenbauer auf dieser Baustelle in Köln-Bilderstöckchen arbeiten als vermeintliche Selbstständige für das Unternehmen Nesseler & Grünzig.
Was das mit der Selbstständigkeit genau bedeutet, weiß keiner der Arbeiter auf der Baustelle so genau. Selbst der Polier kann es nicht erklären.
Polier auf der Baustelle in Köln-Bilderstöckchen
Ausschnitt aus "die story" vom 19.05.14
Organisiert sind sie als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie arbeiten auf eigene Rechnung und jeder einzelne von ihnen ist juristisch gesehen selbstständig. Damit gelten für sie andere Regeln als für Arbeitnehmer.
Für Bau-Unternehmer wie Joachim Nesseler eine willkommene Möglichkeit zur Kostensenkung.
Unternehmer Joachim Nesseler
Ausschnitt aus "die story" vom 19.05.14
Unternehmer Nesseler sagt, dass er auf diese Weise rund vier Euro pro Stunde und Arbeiter spart - bei Großprojekten ein Unterschied von mehreren hunderttausend Euro. Geld, das bei den Unternehmern und Investoren bleibt. Den Arbeitern hingegen bleibt ihr geringes Gehalt und das Ausfallrisiko im Krankheitsfall.
Kommt es zu einer arbeitsrechtlichen Verhandlung, stellt sich oft schon nach wenigen Fragen an den ausländischen "Unternehmer" heraus, dass diese Bezeichnung faktisch nicht zutrifft.
Sozialrichter Michael Kanert
Ausschnitt aus "die story" vom 19.05.14
Das Geschäft mit der Pflege
Das Geschäft mit der Pflege
Die vorwiegend weiblichen Pflegerinnen sind bei einer polnischen Firma angestellt. SenioCare24 stellt nur den Kontakt zu den Kunden her und organisiert die Logistik. Dafür nimmt sie eine monatliche Gebühr, die sich nach den Deutschkenntnissen der Pflegerinnen richtet.
Pflegerin Dorota Krajewska arbeitet sieben Tage die Woche bei einem älteren Ehepaar. Vor ihrer Anreise war ihr nur bedingt klar, was auf sie zukommt und was ihre Rechte sind.
Schwerstarbeit Pflege
Ausschnitt aus "die story" vom 19.05.14
Insgesamt kommt sie so auf rund 280 Arbeitsstunden pro Monat und erhält dafür 800 Euro. Die Differenz von 500 Euro geht an die Agentur.
Bricht man ihren Lohn auf die Arbeitsstunde runter, bleiben ungefähr drei Euro. Eine deutsche Pflegekraft verdient vier Mal so viel.
Er kennt die Vorwürfe der Arbeitsausbeutung. Als Lobbyist setzt er sich jedoch gegen schärfere Gesetze ein und glaubt, dass Fälle wie der von Dorota Krajewska politisch gewollt sind.
Tomasz Major - Vorsitzender der polnischen Arbeitgeberkammer
Ausschnitt aus "die story" vom 19.05.14
Der Gang zur Gewerkschaft
Arbeitskampf
Rechtlich liegen diese Fragen oft in einer Grauzone. Die Reinigungskräfte Petra K. und Agnieszka Majcherkiewicz haben entschieden, sich zu wehren - mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Mit Hilfe ihrer Beraterin kämpfte sie für die ausstehenden Löhne aus ihrer Zeit beim Motel One Bellevue - mit Erfolg. Das Reiniungsunternehmen zahlte ihr das Geld rückwirkend aus.
Doch auch in ihrem neuen Job hat sie mit den gleichen Problemen zu kämpfen.
Und die Bemühungen haben Erfolg. Mittlerweile zahlt der Arbeitgeber ihr den vollen Lohn.
Sie beschwerte sich auch bei der Hotelführung und versuchte ihre Kolleginnen dazu zu bringen, das gleiche zu tun. "Doch sie hatten alle zu viel Angst oder sind auf den Job angewiesen", sagt Petra K.
Als Petra K. begann sich zu beschweren, stand kurze Zeit später wieder ein Unternehmenswechsel an. Alle Reinigungskräfte wurden übernommen.
Nur sie nicht.
Ausblick
Ausblick
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles von der SPD beschwört seit Monaten, dass der Mindeslohn "kein Schweizer Käse" werden dürfe. Gleichzeitig kämpfen Vertreter der CDU für mehr Ausnahmen, zum Schutz der Unternehmen.
Und tatsächlich ist abzusehen, dass Unternehmer auch in Zukunft Wege finden werden, Arbeiter in Deutschland auszubeuten. Die Beispiele aus Reinigung, Bau und Pflege zeigen es.